Neue Betten locken die Touristen, doch die Verschuldung der Hotels ist mit den Investitionen stark gewachsen.

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Für Sparer ist es ein Ärgernis, für Branchen wie die Hotellerie hingegen (fast) überlebenswichtig: niedrige Zinsen. Während das Geld auf einem 08/15-Sparbuch angesichts historisch tiefer Zinssätze inflationsbedingt Jahr für Jahr an Wert verliert, können sich Wirtschaftstreibende und Private günstig refinanzieren.

Was aber ist, wenn die Zinsen steigen oder andere Kosten plötzlich nach oben schnellen? Dieser Frage hat sich die Prodinger Tourismusberatung angenommen und einen Stresstest gemacht. Ergebnis: Nichts würde die Hotellerie so stark treffen wie ein Zinsanstieg; nur ein Mehrfachschock hätte noch gravierendere Folgen.

Die Investitionen in die Hotellerie – wie hier in Sonnleiten – sind hoch.
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Mehrere Szenarien

Zur Veranschaulichung wurden die Bilanzdaten eines Beispielbetriebes der gehobenen Kategorie (vier bis fünf Sterne, Ferienhotellerie, 85 Betten, Daten von 2017) hinsichtlich Stressresistenz untersucht. Gerechnet wurden vier Szenarien: ein Zinsanstieg um zwei Prozent, eine Erhöhung der Kommission für Reiseplattformen um zwei Prozent, ein Anstieg der Mitarbeiterkosten um 3,5 Prozent, wie dies von Sommer 2017 auf Sommer 2018 der Fall war, und eine Kombination davon.

Potenzial nach unten

"Wir haben ganz bewusst die realen Werte der Einnahmen und Ausgaben verwendet, um eine objektive Vergleichbarkeit sicherzustellen", sagte der Geschäftsführer der Prodinger Tourismusberatung, Thomas Reisenzahn, dem STANDARD. Während im Basisszenario bei einem Cashflow vor Zinsen von 454.000 Euro Kosten für Tilgungen und Zinsen von 344.000 sowie 80.000 für Miete, Pacht und Leasing, unterm Strich 30.000 an Liquidität übrigbleiben, ist es in allen anderen Szenarien weniger – zum Teil deutlich weniger.

Bei einem Provisionsschock im Fall höherer Kommissionszahlungen an Unternehmen wie Booking und andere Internetplattformen um zwei Prozentpunkte würde sich der Cashflow vor Zinsen auf 435.000 verringern. Gleichzeitig würde der Liquiditätssaldo auf 11.000 Euro fallen, wenn alles andere gleich bleibt.

Sinkende Kreditwürdigkeit

Derzeit werden im Schnitt 15 Prozent Provision fällig, wenn ein Hotelzimmer über eine Plattform vermittelt wird. Der unterstellte Anstieg auf 17 Prozent sei somit "ein durchaus realistisches Szenario", sagte Reisenzahn.

Auch am Katschberg wurde ordentlich renoviert.
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Nur 2.000 Euro Liquidität blieben dem repräsentativ ausgewählten Hotelbetrieb unterm Strich, wenn die Mitarbeiterkosten gemäß Szenario um 3,5 Prozent steigen würden.

Mit die größte Wirkung hätte aber ein Zinsschock. Erhöhten sich die Zinsen wie unterstellt um zwei Prozent, stiege die Belastung aus Zinsen und Tilgungen gegenüber dem Basisszenario um 36.000. Dies hätte einen Liquiditätsengpass von 6.000 zur Folge. Ein gesunder Betrieb mit einer gerade noch akzeptablen Entschuldungsdauer von 14 Jahren würde bei dem simulierten Zinsschock von zwei Prozent im kritischen Bereich von 16 Jahren landen. Laut Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) dürfte keine Bank mehr einen Kredit vergeben, wenn die Entschuldungsdauer über 15 Jahre steigt.

Dreifachschock

Noch schlimmer wäre ein Dreifachschock, wenn also alle angedachten Szenarien gleichzeitig eintreten würden; der Liquiditätssaldo verschlechterte sich dann auf Minus 53.000.

Von den fast 4.200 Hotelbetrieben in Österreich gehören knapp 1.870 der gehobenen Kategorie (vier Sterne und mehr) an, das sind rund 45 Prozent. Inklusive Gasthöfen, Garnis und Pensionen gibt es knapp 16.000 Beherbergungsbetriebe in Österreich. Viele sind hochverschuldet.

Historisch niedrige Leit- und damit auch Tiefstzinsen bei Krediten haben so manchem Betrieb bisher das Überleben gesichert. Weil die Leitzinsen im Euroraum zuletzt immer den Vorgaben der US-Notenbank Fed gefolgt sind, sei es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Refinanzierung auch hierzulande verteuert, sagen Experten. Reisenzahn rät Hoteliers denn auch, sich rechtzeitig Finanzierungsalternativen zu überlegen. (Günther Strobl, 22.1.2019)