Brüssel – Zehn Monate nach dem Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien hat die EU Sanktionen gegen die Führung des russischen Militärgeheimdiensts GRU verhängt. Die EU-Staaten beschlossen am Montag, dass der Chef und der stellvertretende Leiter des Geheimdienstes nicht mehr in die EU einreisen dürfen und mögliches Vermögen in Europa eingefroren wird.

Auch die beiden Agenten, die den Anschlag im März 2018 verübt haben sollen, wurden auf die EU-Sanktionsliste gesetzt. Die vier russischen Geheimdienstmitarbeiter würden wegen "des Besitzes, der Beförderung und der Verwendung eines giftigen Nervengases" bei dem Anschlag im englischen Salisbury mit Sanktionen belegt, erklärte die EU-Rat. Der ehemalige russische Doppelagent Skripal und seine Tochter Julia waren damals dem in der Sowjetunion entwickelten Nervengift Nowitschok ausgesetzt worden. Beide entgingen nur knapp dem Tod.

"Harte Maßnahmen"

GRU-Geheimdienstchef Igor Kostjukow hat das Amt erst vor kurzem übernommen, nachdem sein Vorgänger Igor Korobow im November verstorben war. Kostjukow war zur Zeit des Skripal-Anschlags erster stellvertretender Chef des Militärgeheimdienstes. Gleichfalls mit EU-Sanktionen belegt wurde der heutige GRU-Vize Wladimir Stepanowitsch Alexejew.

Die beiden mutmaßlichen Agenten sind unter den Decknamen Alexander Petrow und Ruslan Boschirow bekannt. Ihre wirklichen Namen lauten der EU zufolge Alexander Mischkin und Anatoli Tschepiga. Beide wurden im September in Großbritannien in Abwesenheit wegen des Anschlags unter anderem wegen versuchten Mordes offiziell beschuldigt.

"Die heutigen neuen Sanktionen erfüllen unser Versprechen, harte Maßnahmen gegen die rücksichtslosen und unverantwortlichen Aktivitäten der russischen Geheimdienstorganisation GRU zu ergreifen", erklärte der britische Außenminister Jeremy Hunt. Die EU hatte in dem Fall bisher keine eigenen Sanktionen verhängt. Viele ihrer Mitgliedstaaten hatten aber aus Protest kurz danach russische Diplomaten ausgewiesen.

Russland droht mit "Vergeltungsmaßnahmen"

Die russische Regierung drohte nach dem EU-Sanktionsbeschluss mit "Vergeltungsmaßnahmen". Das Außenministerium in Moskau sprach von einem "unfreundlichen Akt" und erklärte, die Vorwürfe hielten "Kritik nicht stand". Großbritannien verfolge mit einer "Informationskampagne" gegen Russland wegen der Probleme beim Brexit vor allem innenpolitische Ziele.

Die EU hatte nach dem Anschlag auf Skripal auf britische Initiative ein eigenes Sanktionsregime wegen Verstößen gegen das Chemiewaffenverbot beschlossen. Dieses nutzte sie am Montag erstmals und setzte insgesamt neun Personen auf ihre Sanktionsliste.

Neben den vier Russen sind auch fünf Syrier sowie das syrische Zentrum für wissenschaftliche Studien und Forschung (SSRC) betroffen, das Chemiewaffen entwickelt haben soll. Bei den Syrern handelt es sich um zwei Offiziere, von denen einer laut EU für die Sicherheit eines SSRC-Instituts zuständig ist. Der zweite dient demnach als Verbindungsmann zum Präsidialamt. Hinzu kommen zwei Abteilungsleiter des Zentrums sowie ein weiterer Mitarbeiter.

In den vergangenen Jahren gab es Berichte über Dutzende Chemiewaffen-Einsätze in Syrien. Einige wurden inzwischen von UN-gestützten Inspekteuren verifiziert und der syrischen Regierung zugeschrieben. Diese bestreitet den Einsatz allerdings und gibt an, sie verfüge seit einem Abkommen von 2013 über keinerlei Chemiewaffen mehr. Damals hatte Syrien der Vernichtung sämtlicher Kampfstoffe unter Aufsicht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zugestimmt. (APA, 21.1.2019)