FOTO: APA/BARBARA GINDL

"Wenn wir am Pass Lueg ein enormes Problem hätten und jedes Jahr dreimal Lawinen abgingen und die Strecke zu wäre, würden wir was tun. Aber das ist nicht so." Als Vorstand der ÖBB-Infrastruktur beruhigt Franz Bauer im Oktober 2015 in den "Salzburger Nachrichten": Man plane ohnehin.

Heuer ist seit 10. Jänner und noch bis einschließlich Mittwoch, 23. Jänner, eine wichtige europäische Eisenbahn-Transitstrecke gesperrt. An der grimmigsten Stelle des Salzachtales – "Salzachöfen" als Name für die Schlucht ist ja vielsagend – hat eine Staublawine 260 täglichen Zügen die Trasse blockiert.

Alle paar Jahre Bahnchaos

Die Folge: zuerst pures, während der vergangenen Tage geordnetes Bahnchaos auf der einzigen Schienenverbindung zwischen Salzburger Zentralraum, westlichem Oberösterreich und Südostbayern einerseits und Kärnten, Steiermark, Norditalien und Balkanstaaten andererseits. Tagespendler müssen während der zweiwöchigen Sperre in Busse umsteigen. Ihr Arbeitsweg dauert jetzt beinahe dreimal so lang. Urlaubsreisenden rät die ÖBB mit dem Hinweis "starker Reisetag" zur Platzreservierung, um im nächsten Absatz auf die Etappe Schienenersatzverkehr hinzuweisen. "Zug fällt aus!"

All das zwar nicht dreimal im Jahr, aber doch alle paar Jahre. Mit ähnlich spektakulären Bildern wie beim Schneechaos in den vergangenen Wochen ist der Hochwasser-Juni 2013 dokumentiert.

Neues Meisterstück?

"Wann kommt der Ausbau der Bahnstrecke Pass Lueg?", fragt die lokale Wochenzeitung "Pongauer Nachrichten" dieser Tage einmal öfter.

Aber es wird doch gebaut! Genau vor einem Jahr kündigt die ÖBB den Neubau der Eisenbahnbrücke am Pass Lueg an. Und sagt ein technisches Meisterstück um veranschlagte zwölf Millionen vorher. Für jedes der beiden Gleise wird in der engen Schlucht ein Tragwerk gebaut, an seinen Ort gerollt, das alte Stahlskelett mit einem riesigen Kran aus-, das neue eingehoben. Ein Gleis ist fertig, heuer kommt das zweite dran.

Gefährliche Lage

Und zwar exakt in derselben Lage, ein paar Meter über dem reißenden Fluss. Dort, wo seit 1875 die Züge fahren – und, wie in Chroniken nachzulesen, viele Male Lawinen, Hochwasser und andere Störungen immer wieder die Strecke unterbrochen haben.

Die Bahnbauer machten vor bald 150 Jahren, was sie konnten. Aber ist das 2019 eine nachhaltige Investition? Warum baut man mit Riesenaufwand eine Brücke in den Verlauf einer Trasse, auf der sich die Züge mit höchstens 70 Stundenkilometern durchs enge Tal schlängeln? Und legt damit für Jahrzehnte diese immer wieder gefährdete Route fest? Weil der Ersatz der über hundert Jahre alten Brücke keinen Aufschub mehr erlaubt, lässt die ÖBB wissen. Und tut jetzt so, als ob die genieteten Tragwerke unvorhersehbar marode geworden wären.

2004 ist es die Salzburger Industrie, die vor einer Landtagswahl in einem der insgesamt vielen Anläufe eine zeitgemäße Bahntrasse für die Güterzüge zu den Mittelmeerhäfen fordert. Die in den 1970er-Jahren fertiggebaute Tauernautobahn mit Ofenauer- und Hieflertunnel in unmittelbarer Nähe zeigt ja, wie man auch im Gebirgsstock trassieren kann. Beiträge in lokalen Medien sind Legende. Schließlich verbringt deren Leserschaft allzu viel Zeit im langsamen Zug, wenn sie in die Landeshauptstadt pendelt.

Die Kehrseite

Semmering-Basistunnel, Koralmbahn und Brenner-Basistunnel. Das ist die Seite zum Herzeigen. Die Kehrseite, das sind die inneralpinen Bahnstrecken, durch Salzachtal, Ennstal, auf der Pyhrn-Route und durch das Salzkammergut. Sie schlängeln sich seit den 1870er-Jahren meist eingleisig auf denselben Mäandern durch die Täler. Investitionen in diese zielen im Wesentlichen auf Personaleinsparung ab. Stichwort: Geisterbahnhöfe.

Was bleibt, das ist die vierstündige Fahrzeit der "schnellsten" Züge für die 300 Kilometer zwischen Salzburg und Graz. (Hans Lindenbaum, 22.1.2019)