Das fragile politische Gleichgewicht zwischen Wirtschaft, Kirchen und Gewerkschaft wurde durch das EuGH-Urteil gestört.

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Die aktuelle Feiertagsregelung ist mehr als 60 Jahre alt: Seit 1957 gibt es elf katholische und zwei säkulare Feiertage – und für Angehörige der evangelischen und altkatholischen Kirche zusätzlich den Karfreitag. Seit Dienstag ist dies Geschichte – aufgehoben vom Europäischen Gerichtshof, dem die Gleichbehandlung aller Bürgerinnen und Bürger wichtiger ist als die Rücksicht auf religiöse Bedürfnisse.

Das Urteil des EuGH ist explosiv, aber nicht überraschend. Was in der Nachkriegszeit als richtig galt, ist heute ein Anachronismus. Damals waren die Kirchen tragende Säulen der Gesellschaft, fast alle Österreicher waren Christen, und die Mehrheit ging an Sonn- und Feiertagen in die Messe. Heute werden arbeitsfreie Tage meist nur als Freizeit wahrgenommen. Dass ein formal evangelischer Arbeitnehmer, der am Karfreitag arbeitet, dafür einen Feiertagszuschlag erhält, war immer schon eine Absurdität – und selbstverständlich diskriminierend.

So überzeugend das EuGH-Urteil klingt, so schwierig ist seine politische Umsetzung. Tut die Regierung nichts, dann haben alle Arbeitnehmer Anspruch auf einen 14. Feiertag. Sie müssten die Freizeit zwar aktiv beantragen, aber diese Möglichkeit wird sich rasch herumsprechen. Für viele Betriebe ist das ein Horrorszenario, denn sie verlieren entweder Arbeitsleistung oder müssten Zuschläge zahlen.

Und das sollte auch nicht das endgültige Ergebnis des Richterspruchs sein. Österreich hat im EU-Vergleich viele Feiertage und großzügige Urlaubsansprüche. Es liegt an der Regierung, eine Regelung zu finden, die die Wirtschaft weniger kostet. Aber dafür muss sie erst einen gordischen Knoten durchschneiden.

Symbolik und geschichtliche Gerechtigkeit

Schafft sie das Karfreitag-Privileg ab, dann heult die evangelische Kirche auf. Ihr geht es weniger um den freien Tag als um Symbolik und geschichtliche Gerechtigkeit: Lang genug wurden Protestanten in Österreich diskriminiert. In diesem Fall wäre auch das Recht jüdischer Arbeitnehmer auf Freizeit an Jom Kippur nicht aufrechtzuerhalten – ein politisches Signal, das Kanzler Sebastian Kurz jedenfalls vermeiden will. Die katholische Kirche schlägt ein eingeschränktes Karfreitag-Privileg vor: freie Zeit für Religionsausübung, aber keine Zuschläge für jene, die dennoch arbeiten. Doch auch das könnte sich als EU-widrig erweisen.

Am besten wäre es, den Karfreitag allen freizugeben – schließlich haben Schulen in der Karwoche frei, und viele Arbeitnehmer sind auf Osterurlaub – und dafür einen anderen Feiertag abzuschaffen. Aber welchen? Die Wirtschaft hat die Donnerstag-Feiertage im Frühjahr im Visier, die etwa in Italien längst gefallen sind. Dagegen wehrt sich die katholische Kirche vehement. Sie würde lieber den Pfingstmontag opfern, der nicht im Konkordat mit dem Vatikan steht. Doch dann wären die Pfingstferien weg, an denen der Tourismus hängt. Und Arbeitnehmervertreter werden dafür kämpfen, dass ihnen der von den EU-Richtern geschenkte freie Tag nicht wieder gleich entrissen wird.

Das fragile politische Gleichgewicht zwischen Wirtschaft, Kirchen und Gewerkschaft wurde durch den Spruch gestört. Nun wäre eine offene Diskussion über den Stellenwert der Religion, die Gleichbehandlung der vielen muslimischen Arbeitnehmer, die keine dieser Rechte genießen, und die ideale Zahl von arbeitsfreien Tagen angebracht. Doch bis zum nächsten Karfreitag geht sich das sicher nicht aus. (Eric Frey, 22.1.2019)