Anspruchsvolle Musik, guter Wein und vielleicht noch etwas anderes:_"Symposion", das längst legendäre Projekt des Klangforums Wien, ist noch ein letztes Mal – hautnah – zu erleben.

Foto: Claudia Prieler

Wien – Es muss der Fan der klanglichen Moderne an sich schon ein recht hohes Maß an Offenheit für Schräges mitbringen. Beim Symposion jedoch steigt er mithilfe von Klangforum Wien und Wein in eine Erlebniswelt, die seine Aufnahmebereitschaft – im Sinne der alten Griechen – noch erheblich weitet: Im Wiener Museumsquartier geht es bei einem Marathonkonzert explizit darum, einen offenen, diskursiven Zustand zu erreichen – und dies mit den Mitteln des gemeinschaftlichen Betrinkens.

Das musikalische Erlebnisprojekt (auf Futons und Pölstern samt sechsgängigem Gastmahl) hat längst eine Europatournee absolviert; es war auch in Brüssel als Beitrag zur österreichischen EU-Präsidentschaft zugegen. Nun endet es in Wien in der Regie von Michael Scheidl, der nicht verallgemeinern will, was die richtige Menge des zu konsumierenden Rebensaftes anbelangt.

Siebenstündige Reise

"Das ist individuell verschieden. Während der siebenstündigen Reise in die Nacht des Symposions sollte sich jedenfalls durch stetigen, gemächlichen Alkoholgenuss eine ebenso gemächliche Verschiebung der Wahrnehmung einstellen." Der Teilnehmer durchlebt mehrere Phasen: Der Weg von den leichten, befreienden Unschärfen "einer gehöhten Stimmung" führe zur "Schwere eines dramatisch gewaltigen Wahrnehmens". Schließlich erreicht der Wanderer – auch akustisch berauscht – einen Zustand, "in dem er sich einer seligen Selbstvergessenheit anvertraut."

Keine Exzesse bitte!

Weder Abstinenz noch allzu üppiger Exzess sind erwünscht. Bis dato habe aber noch nie jemand wegen zu viel oder zu wenig Weinkonsum das Symposion vorzeitig verlassen müssen, so Scheidl: Die Qualität des Klangforums, das u.a. Werke von Haubenstock-Ramati, Xenakis, Furrer und Sciarrino spielt, habe "immer ihre für alle TeilnehmerInnen nahezu unmerklich leitende, beglückende Macht entfaltet." Das Spielniveau habe dazu geführt, dass der ideale Reisepfad gleichsam wie "von selbst eingehalten wird."

Das Befolgen gewisser Langsamkeitsregeln möchte Michael Scheidl allerdings gerne empfehlen: "Du darfst Dich nicht in einer halben Stunde um den Verstand saufen! Aber auch abseits stehen, unauffällig kaum etwas trinken, um sehen zu können, wie sich der Soundso benimmt, wenn er einen sitzen hat, wird bemerkt und führt zur Ermahnung, ernsthaft teilzunehmen!"

Fest der Wahrnehmung

Es gehe um Entschleunigung. Es gehe darum, die einzelnen Phasen eines Rausches "mit ihren sich langsam verändernden Wahrnehmungsqualitäten möglichst lange auszukosten." Der Besucher möge nach den vielen Stunden das Museumsquartier als "Glücklicher" verlassen und im Empfinden "des ewigen Augenblicks und also frei von jener Angst vor der schlimmsten narzisstischen Kränkung, der kein Mensch entgeht." Scheidl meint den Tod. (Ljubiša Tošic, 23.1.2019)