Diesmal war alles anders: Die Bundesregierung stellte Flüchtlinge in die Auslage. Am Mittwoch fand auf Anstoß der türkis-blauen Koalition eine Jobbörse für Asylberechtigte in der Wiener Gösserhalle statt.

Der Veranstalter, das AMS Wien, hatte nicht einmal zwei Wochen Zeit, um alles vorzubereiten. Warum die Hektik? Auf diese Frage wusste niemand so recht eine Antwort, weshalb kritische Stimmen eine PR-Aktion witterten, ganz nach dem Motto: Die Regierung will zeigen, dass sie Menschen in Arbeit bringt, während das rote Wien nur über die Mindestsicherung spricht.

Das Bild, das sich Besuchern bei der Jobbörse bot, war differenzierter. Dutzende Unternehmen informierten die gut 1.850 Asylberechtigten, die gekommen waren, über ihre Jobchancen und führten gleich erste Bewerbungsgespräche.

Nicht nur große Unternehmen wie Rewe, Mondi, Rauch, EVN, Siemens, DM, Bipa, die Post und die ÖBB waren mit Messeständen vertreten, sondern auch viele kleine Betriebe. Die kurzfristige Organisation der Jobbörse war spürbar. Viele der Flüchtlinge wussten nicht, welche Unternehmen da sind und wo sich ein Gespräch lohnt. Ein Bauunternehmer kritisierte wiederum, dass sich zwar viele Flüchtlinge bei ihm vorgestellt hätten, aber kaum jemand, der wirklich infrage komme, weil er einen Maurer und einen Zimmermann sucht, bisher aber mit einer Ausnahme keiner der Bewerber dafür ausgebildet war.

Hoher Besuch: Bundeskanzler Sebastian Kurz besuchte die Jobbörse.
Foto: Matthias Cremer

Und trotzdem waren viele Asylberechtigte und viele der Unternehmer von der Veranstaltung angetan. Einige Personalverantwortliche zeigten sich sogar zuversichtlich, den oder die Richtige gefunden zu haben.

Tiroler Hoteldirektor sieht Chance

Darunter war etwa Wolfgang Hahnl, Direktor des Gaspingerhofs, eines Hotels im Tiroler Ort Gerlos. Rund 80 Mitarbeiter hat sein Betrieb im Winter, erzählt Hahnl. Wie viele andere Touristiker sucht auch er fast ständig Mitarbeiter, derzeit einen Kochlehrling, Zimmermädchen, jemanden als Abwäscher, einen Metzger.

Wer sich bei ihm am Stand informiert – und der Andrang ist durchaus rege –, bekommt als Erstes eine Postkarte der Gemeinde Gerlos zu sehen. "Damit die Leute verstehen, dass sie da in einem Dorf am Berg leben würden und nicht in der Stadt", sagt der Hotelier. Die meisten habe das aber nicht abgeschreckt, sagt Hahnl. Einige der Bewerber will er für einen Probetag zu sich einladen –Zugticket und Unterkunft stellt das Hotel zur Verfügung. "Ich bin zum ersten Mal auf einer Jobmesse in Wien und finde das richtig gut", sagt Hahnl.

Karl Mayerhofer vom gleichnamigen niederösterreichischen Elektrotechnikbetrieb wirkt ähnlich optimistisch. Er sucht ein bis zwei Lehrlinge für seinen Betrieb und hat bereits 30 Bewerbungsgespräche hinter sich. Etwa ein Drittel der Bewerber komme in die engere Auswahl, weil Gesamtbild und Vorausbildung passen würden, sagt er. Ob das für einen niederösterreichischen Betrieb angesichts der Stimmung im Land kein Problem sei, einen Flüchtling aufzunehmen? Das sei für ihn kein Thema, "Mensch ist Mensch", so der Firmenchef.

Begonnen hatte der Tag mit langen Warteschlangen. Weil sich auch Bundeskanzler Sebastian Kurz, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) angekündigt hatten, musste jeder, der zur Jobbörse wollte, einen Metalldetektor passieren. Polizisten beäugten die lange Warteschlange von Asylberechtigten.

Jobsuche auf höchster Sicherheitsstufe.
Foto: Matthias Cremer

Drinnen fasste kurz nach dem Startschuss der Veranstaltung Wirtschaftsministerin Schramböck zusammen, weshalb alle gekommen waren: Mehr als 30.000 Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte seien ohne Arbeit in Österreich, ein sehr großer Teil davon in Wien. Zugleich suchten viele Betriebe im Land händeringend Mitarbeiter, tausende Stellen seien unbesetzt. Hier gelte es, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen.

"Integration durch Leistung"

Sozialministerin Hartinger-Klein betonte, dass jeder Arbeitslose einer zu viel sei. Kanzler Kurz sagte, dass in Österreich das Motto "Integration durch Leistung" gelte. Um das möglich zu machen, habe die Regierung zur Jobbörse geladen.

Integration durch Leistung: Damit kann auch Fariba etwas anfangen, wie sie sagt. Die junge Iranerin hat seit sieben Monaten einen positiven Asylbescheid, seit drei Jahren ist sie in Österreich. Beim AMS habe man ihr gesagt, sie solle als Reinigungskraft arbeiten, da könne sie schnell unterkommen. Doch das will die Frau nicht. Sie habe im Iran mehrere Jahre als Kosmetikerin gearbeitet, putzen komme für sie nicht infrage. Nun freut sie sich über eine Chance, sich bei DM vorzustellen. Angst bereitet ihr, dass sie nicht so gut Deutsch spricht, derzeit nur Niveau A2.

Lange Warteschlangen vor den Sicherheitskontrollen.
Foto: Matthias Cremer

Das Gespräch läuft aber schließlich gut, erzählt Fariba später, man habe ihr versprochen, ihre Bewerbungsunterlagen an die Personalverantwortlichen bei DM weiterzuleiten, "jetzt freue ich mich". Unter den Asylberechtigten sind die Eindrücke wie auch unter den Unternehmern unterschiedlich. Eine junge Syrerin erzählt etwa, dass sie eigentlich den Pflichtschulabschluss nachhole, gar keine Arbeit suche und gemeinsam mit anderen Schülern nur hier sei, weil die Kursleitung sie dazu verdonnert habe. Zwei Syrer sagen, dass sie gerne eine Lehre machen würden und sich bei ein paar Betrieben vorstellen möchten.

Großer Andrang

Viele der Unternehmensvertreter sehen die Jobbörse vor allem als Möglichkeit, Menschen zu Bewerbungen zu motivieren und sie über eigene Angebote zu informieren.

Besonders groß ist der Andrang bei Siemens. Das Unternehmen bietet nicht nur Jobs an, sondern stellt jedes Jahr gut 100 Lehrlinge ein. Die Lehre gilt laut Arbeitsmarktexperten als eine sehr gute Möglichkeit, die Flüchtlinge an den österreichischen Arbeitsmarkt heranzuführen. Ein Siemens-Mitarbeiter freut sich über das Interesse, viele der Flüchtlinge seien aber wohl zu alt, um sich für eine Lehrstelle zu bewerben. Auch wenn es keine formale Altersgrenze gibt – ein 35-jähriger Bewerber habe wohl keine Chance mehr.

Und wie bewertet das Arbeitsmarktservice die Veranstaltung? Die AMS-Wien-Chefin Petra Draxl sagt, dass man das Beste aus der kurzen Vorbereitungszeit gemacht habe. Statt intensiver Vorbetreuung werde man jetzt die Firmen eben intensiv nachbetreuen. Bei jedem Unternehmer, der ausstellt, ist ein Mitarbeiter des AMS, der später helfen soll, potenziell geeignete Kandidaten mit der Firma zu vernetzen. "Dass die Regierung dahintersteht, Asylberechtigte in Arbeit zu bekommen, und das hier symbolisiert, ist gut. Das macht die Sache auch für Unternehmen leichter", so Draxl. (András Szigetvari, 23.1.2019)