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Was tun im Falle des harten Brexits? Außerhalb von Dover stehen bei diesem Text Lkws Schlange.

Foto: ap/Gareth Fuller

Premierministerin Theresa May musste für den von ihr verhandelten Ausstiegsvertrag eine herbe Niederlage einstecken. Ihr Plan B enthält kaum Neuerungen und dürfte ebenfalls im britischen Parlament durchfallen. Das Risiko eines ungeordneten Ausstiegs am 29. März ist damit nach Ansicht vieler Analysten gestiegen.

Studien zu den ökonomischen Folgen eines harten Brexits legen nahe, dass dieser die Wirtschaft im Vereinigten Königreich empfindlich treffen könnte. Die Handelsbarrieren könnten das Realeinkommen, nach meiner Berechnung, um bis zu 5,7 Prozent über einen Zeitraum von sechs Jahren schmälern. Das Vereinigte Königreich wird demnach weniger dynamisch wachsen und könnte vielleicht sogar in eine Rezession fallen. Einigkeit besteht unter Experten darin, dass die EU mit ein paar Ausnahmen – insbesondere Irland – nur sehr geringfügig von einem harten Brexit betroffen wäre und sich die Reduktion der BIP-Wachstumsraten im Zehntelprozentbereich bewegen dürfte.

Kein Vergleich

Auf Basis dieser Zahlen kommt man gerne zu dem Schluss, dass für die EU bei einem harten Brexit kaum etwas auf dem Spiel stehe und nur die Briten als große Verlierer dastehen würden. Eine solche, durchaus gefährliche Einschätzung vernachlässigt eine ganz entscheidende Dimension des harten Brexits: Es gab bis heute keinen ungeregelten Austritt eines Staates aus der EU.

Alle vorliegenden Studien müssen aus diesem Grund Annahmen darüber treffen, wie ein harter Brexit in einer Modellrechnung zu berücksichtigen ist. In den meisten Fällen berechnet man hierzu auf Basis historischer Daten die ökonomischen Folgen eines durchschnittlichen EU-Beitritts und geht dann davon aus, dass die Folgen eines Austritts im gleichen Ausmaß, aber in die entgegengesetzte Richtung wirken. Unsere Studie kommt etwa zu dem Ergebnis, dass eine EU-Mitgliedschaft die direkten Handelsströme zwischen den EU-Partnern im Laufe von sechs Jahren um circa 65 Prozent erhöht. Für den Fall eines harten Brexits nimmt man daher an, dass sich der Warenhandel zwischen den EU-27 und dem Vereinigten Königreich um dieses Ausmaß reduzieren wird. Für den Fall, dass ein ungeordneter Ausstieg tatsächlich weniger starke direkte Handelseffekte haben würde, wären in der Realität geringere negative Effekte für das Vereinigte Königreich und die EU zu erwarten.

Neue Handelsbarrieren

Dennoch gibt es auch Anzeichen, die auf das Gegenteil hindeuten. Zum Ersten haben die Vorbereitungen auf dieses Szenario erst sehr spät begonnen, wohingegen ein EU-Beitritt immer sehr lange politisch und wirtschaftlich vorbereitet wurde. Bei einem Beitritt erhalten die Unternehmen sehr früh Rechtssicherheit und können ihre zukünftigen Handelsbeziehungen langfristiger planen. Bei einem chaotischen Brexit müssen sie sehr viel rascher reagieren, und das könnte zusätzliche Kosten verursachen.

Zum Zweiten haben wir seit dem Zweiten Weltkrieg weltweit einen schrittweisen Abbau von Handelsbarrieren. Ein harter Brexit würde diese Entwicklung drastisch umkehren und die Wiedereinführung von Zollverfahren notwendig machen. Viele europäische Unternehmen betreiben ihren Handel ausschließlich innerhalb des EU-Binnenmarkts und müssten teilweise erhebliche Ressourcen aufwenden, um die Kompetenz für Zollabwickelungen aufzubauen. Ein Abbau von Handelsbarrieren spart Unternehmen Zeit und Mühe, ein Aufbau benötigt Investitionen und verschlingt Ressourcen.

Große Rechtsunsicherheit

Drittens würde ein harter Brexit in sehr vielen Wirtschaftsbereichen eine große Rechtsunsicherheit mit sich bringen. So garantiert der Notfallplan der Europäischen Kommission beispielsweise im Flugverkehr lediglich die Sicherstellung einer Basisverbindung zwischen der Insel und dem Kontinent, da britische Fluglinien mit dem Austrittsdatum die Betriebs- und Verkehrsrechte innerhalb der EU verlieren würden. Auch für europäische Fluglinien wäre nur ein sehr eingeschränktes Flugangebot in das oder innerhalb des Vereinigten Königreichs möglich.

Ein Scheitern einer Austrittsvereinbarung dürfte darüber hinaus das Gesprächsklima zwischen den politischen Vertretern der EU und des Vereinigten Königreichs verschlechtern. Das könnte Verhandlungen über Nachfolgevereinbarungen erschweren, und die damit rechtlich ungeregelten Beziehungen könnten relativ lange andauern. Dies würde die Kosten eines harten Brexits ebenfalls zusätzlich erhöhen.

Es gibt also gute Gründe anzunehmen, dass ein ungeordneter Ausstieg noch höhere ökonomische und politische Kosten verursachen könnte, als dies in ökonomischen Rechenmodellen direkt abbild- und berechenbar ist. Die politischen Entscheidungsträger – vor allem im Vereinigten Königreich – sollten sich dessen bewusst sein und die Möglichkeit eines harten Brexits endlich ausschließen. (Harald Oberhofer, 23.1.2019)