Nach fast fünf Wochen Shutdown liegen die Nerven blank, so gründlich, dass selbst das FBI mit Beschwerden an die Öffentlichkeit geht. Bei der amerikanischen Bundespolizei ist man normalerweise stolz auf Diskretion und Verschwiegenheit. Nun aber hat Thomas O'Connor, Präsident eines Berufsverbands, der 14.000 FBI-Agenten vertritt, aktuelle wie ehemalige, Alarm geschlagen. Anhand einer langen Liste von Beispielen – "Stimmen aus dem Feld" – macht er deutlich, wie die Arbeit unter dem Regierungsstillstand leidet.

Man ermittle gerade gegen eine besonders gewalttätige Drogenbande, ist in einem Bericht aus dem Mittleren Westen zu lesen. "Aber ich kann diese Operation nicht mehr finanzieren, da mein Büro über kein Geld mehr verfügt." Damit verstreiche die bislang beste Gelegenheit, der Bande das Handwerk zu legen. Und eine neue werde sich so schnell wohl nicht bieten.

Lähmung des Apparats

Präziser schildert es ein zweiter Agent aus der, so wörtlich, Zentralregion der Vereinigten Staaten. Ohne Ortsangabe, ohne Namen, aber auch ohne Umschweife. Man versuche gerade einer Straßengang auf die Schliche zu kommen, die kiloweise Methamphetamin und Heroin schmuggle. Nun aber fehlten die nötigen Dollars, um Informanten honorieren und undercover Rauschgift kaufen zu können. "Unsere Taskforce", schreibt der Anonymus, "kann diese wichtigen Ermittlungen nicht fortsetzen." Ein anderer, spezialisiert auf die Bekämpfung des Terrors, warnt vor bleibendem Schaden. Könne man einer Quelle kein Geld mehr zustecken, gehe diese womöglich für immer verloren. "Es ist kein Schalter, den man aus- und einschalten kann."

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Das FBI schlägt Alarm: Ermittlungen müssen eingestellt, wertvolle Informanten aufgegeben werden.
Foto: REUTERS/Yuri Gripas

Die meisten Polizisten des Bundes erscheinen seit gut fünf Wochen zum Dienst, ohne Gehalt dafür zu bekommen. Was zur Folge hat, dass einige mit Zweitjobs über die Runden zu kommen versuchen. FBI-Agenten, klagt O'Connor, der Berufsverbandschef, sollten nicht gezwungen sein, nebenbei im Supermarkt Regale einzuräumen, weil sie sonst ihre Familien nicht länger ernähren könnten. "Und man muss kein Raketenwissenschaftler sein, um zu erkennen, dass die Moral darunter leidet."

Persönlicher Schlussstrich

In seinem Bericht kommen Leute zu Wort, die genau dies bezeugen. Er sei alt genug, um in den vorgezogenen Ruhestand zu gehen, schreibt einer aus dem Westen des Landes. Bisher habe er nicht wirklich daran gedacht, "es ist hart für mich, das Büro zu verlassen, da ich die Kollegen mag und unsere Mission schätze". Jetzt aber sei er bereit, einen Schlussstrich zu ziehen. Er lebe in einer Gegend mit hohen Lebenshaltungskosten, doch sechsmal in Folge habe die Regierung sein Gehalt eingefroren, statt es wenigstens der Inflation anzupassen. Der Shutdown habe ihn endgültig davon überzeugt, dass es besser sei, eher früher als später aufzuhören.

"Uns sind die Autoreifen ausgegangen", meldet in schnörkelloser Prosa ein Beamter aus einem nicht näher bezeichneten Landstrich. "Unsere Mechaniker schlachten ausrangierte Fahrzeuge aus, um kaputte Reifen durch alte zu ersetzen." Im Übrigen gingen auch die Papiervorräte zur Neige.

Kein Geld für Medikamente

Am Samstag werden es fünf Wochen sein, die der Shutdown nun schon andauert, der mit Abstand längste der US-Geschichte. Von Tag zu Tag wird spürbarer, welche Auswirkungen er hat. Das Sicherheitspersonal an den Flughäfen etwa meldet erhöhte Krankenstände. Zu Wochenbeginn fehlte bereits ein Zehntel der Kontrolleure, dreimal so viele wie noch eine Woche zuvor. Auch in den Finanzämtern des Bundes ist neuerdings von Protestaktionen die Rede, so zumindest berichten es amerikanische Medien.

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Besonders für jene, die von Gehaltszettel zu Gehaltszettel leben und etwa auf Geld für ihre medizinische Versorgung angewiesen sind, ist der Regierungsstillstand schlimm.
Foto: REUTERS/George Frey

Vor Weihnachten hatte die Regierung Donald Trumps das Gros der Angestellten des Internal Revenue Service (IRS) in den Zwangsurlaub geschickt, vor wenigen Tagen allerdings an die dreißigtausend zurückgeholt, da sich Beschwerden häuften. Auf ihren Lohn indes müssen die Zurückbeorderten so lange verzichten, wie sich der Präsident mit den Demokraten um Nancy Pelosi nicht auf einen Kompromiss verständigt hat. "Die Leute leben von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck", sagt Tony Reardon, Chef der Gewerkschaft, in der in aller Regel organisiert ist, wer beim IRS arbeitet. Einige könnten sich nicht einmal mehr die tägliche Fahrt ins Büro leisten, geschweige denn die teure Kinderbetreuung.

Der Texaner Paul Kiefer, der in Austin Steuererklärungen prüft, hat im Radiosender NPR erzählt, was ihm durch den Kopf geht. Falls auch am 28. Jänner, dem nächsten Zahltag, eine Null auf seinem Lohnzettel stehe, halte er sich gerade noch so über Wasser, allerdings nicht mehr lange. Bald komme der Tag, an dem er sich fragen müsse, wie er das alles bezahlen wolle, Telefonrechnung, Kreditkartenschulden, Medikamente. "Ich bin Diabetiker. Wenn ich mir keine Medikamente mehr leisten kann, bedeutet es praktisch das Todesurteil." (Frank Herrmann aus Washington, 24.1.2019)