Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht – da lässt der Nazijurist Carl Schmitt schön grüßen. In diesem Geist hat er Adolf Hitler juristisch den Weg geebnet. Und zwar ohne die windige Ausrede, er hätte nur gemeint, Gesetze ließen sich ja auf demokratische Weise ändern, wie die regierungskoordinierenden Nothelfer Blümel und Hofer dem Innenminister beizuspringen versuchten. Dieser rechtsstaatlichen Binsenweisheit hätte freilich der scharfe Stallgeruch gefehlt, mit dem die Freiheitlichen seit Jahren, und mit gesteigerter Intensität in dem Jahr ihrer Regierungsbeteiligung, das Land verpesten und als dessen unverdrossenster Verbreiter der Innenminister seit dem Tag seiner Amtsübernahme gelten darf.

Ende vorigen Jahres hat DER STANDARD ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine Liste von fünfzig rechtsextremistischen Entgleisungen im Bereich der FPÖ veröffentlicht. Optimisten mögen da noch gedacht haben, viele in diesem Dunstkreis können einfach nicht aus ihrer Haut heraus, und da passieren dann eben solche identitären Ausrutscher. Aber nein, naiv anzunehmen, die FPÖ benehme sich in der Regierung halt so wie in der Opposition. Nun, da Wahlen zur EU und in Wien heranstehen, legen auch prominentere Freiheitliche ihre Hemmungen ab und zeigen unverhohlen, was in ihnen steckt. Es gilt daher, die Betrachtungsweise umzukehren: Es geht nicht (mehr) um viele kleine Verirrungen, es geht um das systematische Aushebeln demokratischer und zivilisatorischer Regeln.

Fremdherrschaft

Ein Waldhäusl, der Jugendliche hinter Stacheldraht konzentriert, damit der Konzentrationsanregung des Innenministers folgt, und der die Volksanwaltschaft abschaffen will, die ihm dabei im Weg ist – das ist kein Zufall mehr. Unverdient zu wenig beachtet die Wahlkampfparole des Putin-Anbeters Gudenus für Wien: "Es ist an der Zeit, Wien und die Wiener Bevölkerung von der rot-grünen Fremdherrschaft zu befreien." Allein ein demokratisch legitimiertes Gremium als Fremdherrschaft zu denunzieren – was wäre dann erst die türkis-blaue Regierung? – verrät einiges von der rechtsstaatlichen Einstellung eines Gudenus.

Aber Mitbürger in einer Stadt sprachlich als Fremde zu isolieren, von denen man sich daher leicht befreien kann, das ist jene lupenreine Nazigesinnung, mit der einmal Juden zu Fremden erklärt wurde. Schlägt sich Kickls Interpretation des Verhältnisses von Politik und Recht und Waldhäusls Konzentrationsbedürfnis dazu, ist die freiheitliche Volksgemeinschaft nicht mehr weit.

Dass ein Verfassungsrichter im Nebenjob Parteianwalt für den Vizekanzler spielt, der seine identitären Kontakte verwischen möchte, dass ein Vilimsky Wahlkampf führt, indem er Othmar Karas "den blauen Fehdehandschuh ins Gesicht" wirft – kleinere Zeichen politischer Verluderung. Gegen deren Verursacher treten bisher der Justiz- und der Bildungsminister vor den Vorhang. Nur der wirklich Verantwortliche versteckt sich dahinter und tut so, als hätte er mit all dem nichts zu tun. Sebastian Kurz hat seine Kanzlerschaft von den Freiheitlichen abhängig gemacht. Immer drängender daher die Frage, wie lange er diesem Karneval der 88er Ehrenschutz erweist. (Günter Traxler, 24.1.2019)