Anton Reinthaller, erster Parteichef der FPÖ, hier 1938 als Landesbauernführer Donauland und SS-Oberführer.

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Es ist kein Thema, über das FPÖ-Funktionäre gerne reden. Kommt dennoch ein Gespräch auf die Parteigründer und deren Verstrickungen mit dem NS-System, dann haben sie meist die gleiche Antwort zur Hand: Was ist mit den Nazis in der SPÖ? Dieses rhetorische Ausweichmanöver gehört zum Standardrepertoire der Freiheitlichen, obwohl Parteichef Heinz-Christian Strache vor rund einem Jahr eine Historikerkommission eingesetzt hat, die genau diese Zeit aufarbeiten soll. Bisher wurde ihre Arbeit nicht veröffentlicht.

Strache selbst hat allerdings schon einen "groben Einblick" in die Arbeit der Historikerkommission bekommen, wie er der "Presse" im Dezember sagte. Demnach fanden die Historiker "da und dort" braune Flecken. Und natürlich erwähnte er, dass es auch "in anderen Parteien ehemalige Nationalsozialisten gab". Zusätzlich erklärte Strache, dass die FPÖ nicht aus der NSDAP, sondern aus dem 1949 gegründeten VdU, dem "Verband der Unabhängigen", hervorging und dessen Gründer Herbert Kraus und Viktor Reimann "aus dem Widerstand gekommen sind".

Reimann wurde von den Nazis eingesperrt, weil er sich an gewaltlosen Aktionen der konservativen Freiheitsbewegung Österreich beteiligte. Kraus wurde vor ein Kriegsgericht gestellt, nachdem er die Besatzungsmethoden der Nazis kritisiert hatte. Mit dem VdU wollten Kraus und Reimann ein wirtschaftsliberales Gegengewicht zu den Großparteien SPÖ und ÖVP schaffen und die "Ehemaligen" für die Demokratie gewinnen.

Sammelbecken für Nazis

Dementsprechend war der VdU auch ein Sammelbecken für Nazis. 1956 zerbrach der VdU an seinen Widersprüchen und wurde von der FPÖ abgelöst. Der neuen Partei stellten Kraus und Reimann kein gutes Zeugnis aus. Diese sei von "Rechtsextremisten und ehemaligen Naziführern" ins Leben gerufen worden, wie Kraus 1956 verbittert in der "Wiener Zeitung" schrieb. Auch habe er selbst "nie eine Nachfolgeorganisation der NSDAP gründen" wollen.

Ähnlich sah es Reimann, der die "Umwandlung des VdU in die FPÖ" als "Machtübernahme ehemaliger Nationalsozialisten" beschrieb. Beide verabschiedeten sich nach der FPÖ-Gründung aus der Politik.

Der erste Parteiobmann der FPÖ kam direkt aus dem Zentrum des NS-Systems. Der Oberösterreicher Anton Reinthaller war bereits vor dem sogenannten Anschluss bekennender Nationalsozialist, trat 1938 der SS bei und wurde Reichstagsabgeordneter und Unterstaatssekretär des Großdeutschen Reiches. Bei der SS – jener Organisation, die 1946 wegen ihrer maßgeblichen Beteiligung an Kriegsverbrechen und am Holocaust zur verbrecherischen Organisation erklärt wurde – stieg er bis zum Brigadeführer auf. Nach dem Krieg wurde Reinthaller wegen seiner Verstrickung in das NS-Regime zu drei Jahren Kerker verurteilt.

Unter den Nazis legte auch das FPÖ-Gründungsmitglied Klaus Mahnert eine steile Karriere hin. Der SS-Obersturmbannführer brachte es zum Gauleiter-Stellvertreter und schließlich zum Gauinspekteur von Tirol und Vorarlberg. Im Juni 1948 wurde Mahnert zu elf Jahren Haft verurteilt, aber bereits im Dezember 1949 begnadigt. Für die FPÖ war er als Mitglied der Bundesparteileitung sowie als Abgeordneter zum Nationalrat tätig. Als Anton Reinthaller 1958 starb, folgte ihm Friedrich Peter nach, der im Zweiten Weltkrieg Mitglied einer SS-Mordbrigade war.

Zu den Gründern des VdU und der FPÖ zählte auch der ehemalige SA-Sturmführer Otto Scrinzi. Der Nervenfacharzt saß für die FPÖ im Nationalrat und war acht Jahre lang stellvertretender Parteichef. Aus seiner politischen Verortung machte Scrinzi nie ein Hehl: "Ich war schon immer rechts, auch innerhalb der NSDAP."

Schon 1926 trat Karl Kowarik in die Hitlerjugend ein, deren österreichischer Chef er später wurde. Für die FPÖ war er später als Generalsekretär tätig.

Bis in die 1990er-Jahre war auch der ehemalige Linzer Hitlerjugendführer Erich Slupetzky für die FPÖ tätig. Er kandidierte für die FPÖ bei der Linzer Gemeinderatswahl. Seine Familie wurde reich, indem sie das Giftgas Zyklon B an das Konzentrationslager Mauthausen lieferte, mit dem Häftlinge vergast wurden.

FPÖ-Rechtsausleger Otto Scrinzi trat bei der Bundespräsidentschaftswahl 1986 an – hatte aber gegen Kurt Waldheim keine Chance.

Für die Gegner und Opfer der Nazis war deren Comeback in den Reihen der FPÖ mehr als eine Verhöhnung. Noch schwerer traf sie, dass sie aber auch in den Parteien unterkamen, die Österreich wieder aus der Taufe hoben. Für die ÖVP war etwa Franz Murer tätig, einer der Hauptverantwortlichen für die Vernichtung der Juden in Vilnius und unter den Opfern als der "Schlächter von Vilnius" bekannt. Bei der SPÖ kam Heinrich Gross unter – ein Arzt, der während der Nazizeit an der Wiener "Euthanasie"-Klinik Am Spiegelgrund behinderte Kinder für Forschungszwecke missbrauchte und an ihrer Ermordung beteiligt war.

SPÖ und ÖVP haben diese Geschichte aufgearbeitet und sich distanziert. Hochrangige FPÖ-Politiker hingegen waren im vergangenen November bei einer Gedenkfeier für den NS-Piloten Walter Nowotny – einen Liebling Adolf Hitlers – auf dem Wiener Zentralfriedhof zugegen. (Markus Sulzbacher, 25.1.2019)