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US-Präsident Donald Trump nimmt den Begriff "Fake-News" nur allzu gerne in den Mund. Was er jedoch via Twitter verbreitet, fällt häufig ebenso in diese Kategorie.

Foto: REUTERS/Mike Segar

Fake-News, wohin man schaut? Die derzeit geradezu inflationäre Verwendung dieses Schlagworts, insbesondere zur Diskreditierung der politischen Rivalen, suggeriert, dass wir es mit einem weitgehend modernen Phänomen zu tun haben. So populär der Begriff heute auch sein mag, das System dahinter ist in Wahrheit vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. Schon die in Stein gehauenen Siegeshymnen der frühesten Hochkulturen teilten dem Volk und den Feinden gleichermaßen nur das mit, was die Herrscher als nützliche "Wahrheit" empfanden – eine Medienstrategie, der sich auch im 20. Jahrhundert vor allem totalitäre Staaten bedienten, indem sie die (meist staatlich gelenkte) Medien mit strategisch relevanten Falschinformationen versorgten.

Das Ende eines Monopols

Das Internet schließlich bereitete diesem elitären Monopol ein Ende. Mit der Möglichkeit, der Einzelstimme im World Wide Web Gehör zu verschaffen, hat heute jeder Gelegenheit, bewusst Lügen zu verbreiten, um eine bestimmte politische Richtung zu unterstützen. Dass diese Chance von vielen Gruppierungen auch wahrgenommen wird, ist mittlerweile unbestritten. Welchen Einfluss Fake-News auf die moderne Gesellschaft aber tatsächlich haben, dazu gibt es zwar zahlreiche, allerdings äußerst widersprüchliche Studienergebnisse.

So kam etwa 2017 ein Team um Diego Oliviera (Indiana University) zu dem Schluss, dass über soziale Medien verbreitete "minderwertige Informationen genauso wahrscheinlich viral werden wie hochwertige Informationen". Inzwischen musste diese Arbeit jedoch aufgrund einer Fehlinterpretation einiger Daten zurückgezogen werden. Gestützt werden diese Resultate dennoch von einer von MIT-Forschern präsentierten Studie, die zu dem Ergebnis kam, dass Fake-News auf Twitter, Facebook & Co sogar tendenziell häufiger geteilt werden als authentische Informationen.

Von wenigen gelesen

Zu einem gänzlich anderen Bild gelangte nun wiederum ein Team um Nir Grinberg vom Harvard Institute for Quantitative Social Science (IQSS). Die Wissenschafter untersuchten das Twitter-Verhalten von 16.442 US-Amerikanern im zeitlichen Umfeld der Präsidentschaftswahl zwischen August und Dezember 2016. Um auszuschließen, dass automatisierte Meldungen, also von sogenannten "Bots" versendete Nachrichten, die Daten verfälschen, beschränkten sich die Forscher ausschließlich auf Tweets registrierter Wähler.

Das im Fachjournal "Science" präsentierte Ergebnis der Analyse weist den Fake-News in der allgemeinen Wahrnehmung einen geringeren Stellenwert zu als bisher gedacht – ja, die Wissenschafter sprechen sogar von einem regelrechten Nischenphänomen: Zumindest im Twitter-Netzwerk wurden 80 Prozent der durch anerkannte Fake-News-Quellen verbreitete Informationen nur von einem Prozent der Twitter-Nutzer tatsächlich wahrgenommen. Noch weniger, nämlich 0,1 Prozent der Twitter-Nutzer, teilten diese offensichtlichen Falschmeldungen.

Weiters zeigte sich, dass politisch konservativ orientierte Menschen signifikant mehr Meldungen von berüchtigten Fake-News-Seiten weiterverbreiteten als Liberale. Letztlich kommen Grinberg und seine Kollegen zu dem Schluss, dass die überwiegende Mehrheit der politischen Informationen, die Twitter-Nutzer während der Wahlkampfphase erreichten, aus weitgehend zuverlässigen Nachrichtenquelle stammten.

Konzentrierter Fake-News-Markt

Zu einem ähnlichen Resultat kamen im vergangenen Jahr auch Forscher bei Facebook-Nutzern. Es scheint demnach, als würde der Fake-News-Markt zumindest in diesen beiden sozialen Netzwerken hauptsächlich von einer relativ kleinen Gruppe am äußeren Rand des politischen Spektrums dominiert.

Ein Einfluss auf weitere Nutzerkreise sollte dennoch nicht ausgeschlossen werden, schränkt Axel Bruns, Kommunikationsforscher von der Queensland University of Technology, ein. Der an der aktuellen Studie nicht beteiligte Experte geht davon aus, dass konkrete Fake-News-Inhalte sich über die Reichweite der ersten Verteiler hinaus in vagerer Form, gleichsam als Gerüchte, weiterverbreiten. Derartige Gerüchte wirken vermutlich weniger unmittelbar, könnten aber indirekt allgemeinere Zweifel an der Verlässlichkeit öffentlicher Informationen wecken. (Thomas Bergmayr, 25.1.2019)