Mit einer Kamera als Rückspiegel soll der tote Winkel laut dem niederösterreichischen Unternehmen der Vergangenheit angehören.

Foto: AVI System

Mit derartigen "Rückspiegeln" sind Straßenbahnen in Tirol, Deutschland und Taiwan unterwegs.

Krems an der Donau – Die Zeiten, in denen fast jedes abgeschlossene Studium als Jobgarant galt, gehören der Vergangenheit an. Nicht so bei technischen Studienrichtungen. Zahlreiche Unternehmen bauen bereits während des Studiums Kontakte zu potenziellen Mitarbeitern auf, um sie direkt von der Uni in die eigenen Hallen zu lotsen. AVI System aus Krems an der Donau ist eines davon.

Die Niederösterreicher haben ein Produkt entwickelt, das den herkömmlichen Rückspiegel durch eine Kamera samt Monitor in der Fahrerkabine ersetzt. "Es gibt einen verstärkten Trend, auf Rückspiegel zu verzichten", sagt AVI-Geschäftsführer und Gründer Johannes Traxler im Gespräch mit dem STANDARD. "Züge werden immer länger und breiter. Mit herkömmlichen Spiegeln kann der Lokführer nicht den gesetzlich vorgegebenen Bereich einsehen – mit der Kamera schon. Außerdem fällt der tote Winkel weg." Mittlerweile setzen Betriebe in unterschiedlichen Ländern darauf.

Zum Einsatz kommen die patentgeschützten Rückspiegelkameras beispielsweise bei Zügen und Straßenbahnen im taiwanesischen Taipeh, in Leipzig oder Innsbruck. Die neuen S-Bahnen, die gerade für Berlin gebaut werden, setzen künftig auch auf das heimische Produkt. "Es lässt sich einerseits der Raumbedarf des Fahrzeugs minimieren, andererseits kann rund um die Bim schauen", sagt ein Sprecher der Innsbrucker Verkehrsbetriebe. Das sei ein klarer Vorteil. Scheint aber die Sonne von hinten auf die Kamera, hätte auch diese ihre Probleme.

Innovationspreis

In Innsbruck nutzt man noch das analoge Kamerasystem. Um das Anwendungsfeld zu vergrößern, hat sich Traxler mit der "Intelligenz" des Systems befasst, konkret, der künstlichen Intelligenz (KI). AVI hat den analogen Rückspiegel um eine KI-Komponente erweitert, die mit Assistenzfunktionen den Fahrer unterstützt. Vom Land Niederösterreich gab es dafür kürzlich den Innovationspreis 2019 im Bereich Wirtschaft 4.0.

Laut Traxler habe die Firma im Bereich Autonomes Fahren bereits Aufträge namhafter Hersteller. Details dürfe er dazu aber noch keine nennen. Auch in der Industrie finden die intelligenten AVI-Systeme Anwendung. Die Voestalpine und ZKW nutzen die Sensoren zur Qualitätsprüfung in der Produktion. Die Kontrolle von Schweißnähten ist ein klassischer Anwendungsfall.

Traxler entwickelte den ersten Prototyp 2013 in seiner Garage. Im selben Jahr gründete er die Firma. "Es hat ein bisschen was von einer klischeehaften Silicon-Valley-Story", meint der 43-jährige Niederösterreicher scherzhaft. Aktuell betreibt seine Firma drei Standorte in Krems sowie in den deutschen Städten Freital bei Dresden und Aachen. Der Betrieb erzielt einen Jahresumsatz von drei Millionen Euro und beschäftigt 40 Mitarbeiter. Doch wie bei vielen technischen Unternehmen bereitet das Recruiting die "liebe Not".

Gute Jobchancen

AVI kooperiert einerseits zu Forschungszwecken eng mit wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Software-Kompetenzzentrum Hagenberg, dem Fraunhofer-Institut und der Uni Linz. Andererseits will man so möglichst früh Mitarbeiter gewinnen. Auf technischer Ebene besteht das Team aus Physikern, Mathematikern und Informatikern. "In den Anfängen haben Diplomanden und Dissertanten ihre Arbeiten bei uns geschrieben. Das sind jetzt meine Führungskräfte", erzählt Traxler. Wer gegen Ende des Studiums von AVI angesprochen wird, hat gute Chancen auf einen Job in Krems. (Andreas Danzer, 27.1.2018)