Pianist Piotr Anderszewski.

Foto: Simon Fowler

Draußen Frost, drinnen Coolness: Piotr Anderszewski wird zwar bald 50, verströmt jedoch unvermindert jugendliches Understatement. Ungerührt schüttelte er Bach und Beethoven so lässig aus dem Ärmel, als führe Sachlichkeit automatisch zur Sache selbst. Das schildert jedoch nur den äußeren Zugang. Anderszewski könnte sich dank seines Unterrichts bei Leon Fleisher als Ur-Ur-Ur-Enkelschüler Beethovens bezeichnen. Ein Hauch 19. Jahrhunderts umweht sein Spiel, vor allem bei Bach.

Die Lieblingsauswahl des Pianisten aus dem 2. Band des Wohltemperierten Klaviers beginnt mit Präludium und Fuge C-Dur (sehr breit und orgelhaft Ersteres, gleichförmig legatissimo Zweiteres) und endet in gis-Moll (und nicht in as-Moll, wie im Programm stand): Es ist schön und gut, dabei fast gar nichts wahr im Sinne dessen, was man über Aufführungspraxis heute wissen kann. Das darf man mögen, doch kann man auch die Klarheit im pedalisiert Lauwarmen vermissen.

Spaziergang

Beethovens Diabelli-Variationen wirkten als gemütlicher Spaziergang für den Pianisten: Der seidenweich intonierte Flügel federt jeden der noch so vorhandenen Akzente ab, macht die lyrischen Variationen andererseits zu zarten Traumbildern, deren virtuos hingetupfte Schatteneffekte wie ein impressionistisches Bild hinter einem Grauschleier anmuten. Da darf man mehr Dringlichkeit vermissen.

Das Publikum war reserviert und schon vor der Zugabe in Aufbruchsstimmung: Konzentriert gehört wurde Beethovens Bagatelle op. 126/1 kaum noch. Ihr klagender, in sich gekehrter Gesang gehörte jedoch zu den besten Momenten des Abends. Am 24. und 25. Februar musiziert Piotr Anderszewski gemeinsam mit dem Belcea Quartett Dmitri Schostakowitschs Klavierquintett g-moll op. 57 (1940) im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses. (daen, 25.1.2019)