Wien – Der Klubchef der Liste Jetzt (früher Liste Pilz), Wolfgang Zinggl, schließt eine Zusammenarbeit mit seiner früheren Partei, den Grünen, derzeit aus. Solange man, wie in Wien, Kompromisse gegen die eigene Linie eingeht, sei dies nicht vorstellbar, sagte er im APA-Interview. Seine Fraktion sieht Zinggl in der Opposition gut angekommen. Unter anderem fordert er öffentliche Ausschüsse im Parlament.

"Wir machen unsere Arbeit so gut wir können", so Zinggl nach mehr als einem Jahr als Jetzt-Abgeordneter im Parlament. Natürlich habe es personelle Turbulenzen gegeben, aber: "Jetzt sehe ich keine gravierenden Auseinandersetzungen mehr. Soll uns einer sagen, was nicht funktioniert."

Ob "Jetzt" auch nach der nächsten Nationalratswahl im Nationalrat sitzen wird, kann auch Zinggl nicht mit Sicherheit sagen. "Wenn es soweit ist, werden wir wieder gewählt oder nicht ", meint er und erinnert an seine einstige Fraktion: "Niemand hätte vor der letzten Wahl gedacht, dass die Grünen nicht mehr im Parlament sind." Und: "Natürlich fehlen die Grünen im Parlament."

Entfremdung

Die Entfremdung zu seiner ehemaligen politischen Heimat ist für Zinggl dennoch groß. Es sei eine große Differenz entstanden zwischen den Zielen der Grünen und ihrer tatsächlichen, praktischen Politik, beispielsweise in der Wiener Regierung. "Es ist klar, dass in einer Koalition Kompromisse geschlossen werden müssen, aber die Frage ist auch: Wie weit gehen solche Kompromisse? Etwa dass beim Heumarkt-Projekt für Bauspekulanten das Weltkulturerbe geopfert wird und damit Tür und Tor für ähnliche Vorhaben offen stehen?"

Zinggl war es auch, der ein Gutachten in Auftrag gegeben hatte, welches die Regierung beim Hochhaus-Projekt in die Verantwortung nimmt. Genau diese Untätigkeit kritisiert er an der ÖVP-FPÖ-Koalition auch in anderen Bereichen. Etwa beim Klimaschutz, wo dringend Handlungsbedarf bestehe. Stattdessen schleppe man sich mit kleinen Schritten voran. Aus kleinmütiger Angst vor Wirtschaftslobbys und ausfallenden Parteispendern werde das Thema hintangestellt. Gegen die Bedrohung durch Erderwärmung gelte es zu klotzen statt zu kleckern.

Recht auf Wohnen

Auch beim Thema Wohnen beklagt der Jetzt-Klubchef Untätigkeit. "Das Recht auf Wohnen gehört in die Verfassung", findet er, denn: "Natürlich ist klar, dass sich eine freie Marktwirtschaft um ein Recht auf Wohnen nicht kümmert und dass das Aufgabe des Staates ist." Befristete Verträge dürften nur in Ausnahmefällen möglich sein, Kurzzeitvermietungen, wie von Airbnb, gar nicht mehr, da sie den Wohnraum verknappen. Was auch immer dazu beiträgt, dass Wohnen wieder erschwinglich wird, müsse angegangen werden.

Eine Absage erteilt der Chef der kleinsten Nationalratsfraktion einer Idee von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zur Geschäftsordnungsreform des Nationalrats. Dass Abgeordnete vor den Plenardebatten in Grundsatzreden Dampf ablassen sollen, hält er für wenig sinnvoll, denn: "Wir sind nicht in der Therapiestunde, wo wir in der Früh erst einmal den Urschrei abgeben und danach sind alle entspannt."

Anstelle "oberflächlicher Reformen" plädiert Zinggl für grundlegende, die den Parlamentarismus stärken. Öffentliche Ausschüsse zum Beispiel ermöglichen die Verfolgung von Diskussionen für genau die spezifischen Bevölkerungsgruppen, die von einer Gesetzesmaterie betroffen sind", findet er. Auch während der Nationalratssitzung hätte er lieber öffentliche Aussprachen zu Sachthemen wie sie zur Zeit in den Ausschüssen stattfinden, denn: "Die Fragestunden im Plenum, wie sie jetzt abgehalten werden, sind für die Fische." (APA, 27.1.20199