Kommt er, oder kommt er nicht? Nicht der Osterhase, sondern der Feiertag für alle am Karfreitag.

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Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass es diskriminierend ist, wenn nur Evangelische am Karfreitag freibekommen. Aber wie weiter? Soll er ein Feiertag für alle werden oder für niemanden? Der Jurist Martin Risak hat eine andere Idee.

STANDARD: Wie würden Sie die Debatte um den Karfreitag lösen?

Risak: Die Vorfrage ist, warum gibt es überhaupt Feiertage? Die Idee ist, dass an diesen besonderen Tagen im Jahr alle gemeinsam frei haben sollen. Daher muss eine Gesellschaft entscheiden, welche Feste wir als wichtig genug ansehen. In der Vergangenheit waren das die katholischen Festtage. Heute ist die Gesellschaft aber deutlich diverser. Statt nur darüber zu diskutieren, was man mit dem Karfreitag macht, würde ich einen großen Wurf empfehlen, der das Karfreitagsproblem löst und der größeren Diversität im Land Rechnung trägt.

STANDARD: Wie könnte der große Wurf aussehen?

Risak: Ich fände es am geschicktesten, wenn allen Menschen in Österreich ein zusätzlicher Urlaubstag gewährt wird. Für religiöse Menschen sollte dies mit dem Rechtsanspruch kombiniert werden, diesen Urlaub an einem bestimmten Tagen nehmen zu dürfen. Menschen, die evangelisch sind, könnten sich den Karfreitag freinehmen. Denkbar wäre es, noch einen zweiten, schon bestehenden Urlaubstag mit einem solchen Rechtsanspruch zu verknüpfen. Muslime hätten dann ebenfalls künftig einen Anspruch darauf, an hohen Festtagen freizubekommen. Auf Österreich kommt noch ein weiteres Problem zu. Im Generalkollektivvertrag ist festgelegt, dass das jüdische Versöhnungsfest Jom Kippur nur für Juden ein Feiertag ist. Auch das dürfte im Lichte des Karfreitag-Urteils in puncto Diskriminierung problematisch sein. Der Vorschlag mit dem zusätzlichen Urlaubstag für alle würde die Jom-Kippur-Frage lösen.

STANDARD: Was ist mit Atheisten? Sie hätten keinen Rechtsanspruch.

Risak: Nein, sie würden einen normalen Urlaubstag dazubekommen und müssten mit ihrem Arbeitgeber so wie bisher vereinbaren, wann sie freibekommen.

STANDARD: Warum sollte der gestiegenen Diversität durch eine Reform der Feiertagsregeln Rechnung getragen werden?

Risak: Ich denke, das ist eine Debatte, die wir ohnehin führen werden. In Betrieben mit vielen muslimischen Mitarbeitern wird schon heute darüber diskutiert, wer warum frei hat und wer warum nicht. Und allgemeine Gerechtigkeitserwägungen spielen eine Rolle: Für viele Menschen ist Religion wichtig. Wenn ich auf deren besondere Wünsche Rücksicht nehme, etwa Evangelischen den Karfreitag freigebe, fragen sich andere religiöse Gruppen zu Recht: Was ist mit uns?

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STANDARD: Die Frage ist, ob die von Ihnen skizzierte Lösung in Österreich, einem Land, in dem viele traditionell denken, Zustimmung finden würde.

Risak: Ein wesentlicher Punkt ist, dass niemandem etwas weggenommen werden würde. Es gäbe keine Religionsprivilegien mehr für Menschen mit evangelischem Bekenntnis, das wäre alles. Wobei wir bei der Debatte um den Karfreitag noch einen wesentlichen Punkt mitbedenken sollten.

STANDARD: Und zwar?

Risak: Der letzte Feiertag, der eingeführt worden ist, war der Staatsfeiertag am 26. Oktober, das war 1967. Seit 50 Jahren kam nichts mehr hinzu. Die letzte Arbeitszeitverkürzung passierte in den 1970er Jahren, als die gesetzliche Wochenarbeitszeit schrittweise auf 40 Stunden gekürzt wurde. Seither gab es dann nur noch Verkürzungen in Kollektivverträgen, da passiert aber seit Jahrzehnten auch nichts mehr wirklich. Wir reden also viel über Arbeitszeitverkürzung, de facto findet sie aber nicht statt. Debattiert wird seit den 1990er-Jahren auch über Flexibilisierung, nur hat sich hier auch etwas geändert. Zuletzt wurden die Möglichkeiten für den Zwölfstundentag und die 60-Stunden-Woche erweitert. Angesichts dieser erhöhten Flexibilität ist die Frage berechtigt, ob man dieses Geschenk des Europäischen Gerichtshofes, das Urteil, nicht annehmen sollte und als Ausgleich einen Urlaubstag draufgibt.

STANDARD: Wie viel bringt ein Feiertag eigentlich in puncto Ausgleich für Arbeitnehmer, Stichwort Burnout?

Risak: Sehr viel. Wir sehen das besonders in vielen höherqualifizierten Jobs, in denen Urlaube immer öfter durch Rufbereitschaft und E-Mails durchbrochen werden. Bei Feiertagen ist es dagegen in Österreich tendenziell so, dass das seltener geschieht, weil an sich viel weniger Menschen arbeiten. Für Menschen wird damit der Stress durch die Dauererreichbarkeit gelindert. Ein Feiertag ist eine Arbeitszeitverkürzung in homöopathischer Dosis.

STANDARD: Österreich gilt im internationalen Vergleich als Land, in dem an Feiertagen selten gearbeitet wird, auch wegen der strikten Regeln zu Ladenöffnungszeiten. Hat sich in den vergangenen Jahren daran etwas geändert?

Risak: Geändert hat sich etwas in puncto Flexibilität. Es sind mehr Ausnahmen von der Feiertagsruhe erlaubt. In Österreich gilt ja ein Arbeitsverbot an Sonn- und Feiertagen. Gearbeitet werden darf nur, wenn irgendwo eine Durchbrechung vorgesehen ist. Bisher war dies mit Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag möglich. Mit dem 1. September 2018 wurde hinzugefügt, dass viermal im Jahr auch an Sonn- und Feiertagen gearbeitet werden darf, wenn das eine Betriebsvereinbarung vorsieht oder dort, wo es keinen Betriebsrat gibt, eine Einzelvereinbarung dazu mit dem Arbeitnehmer getroffen wurde. (András Szigetvari, 28.1.2019)