Im Shutdown-Streit hat US-Präsident Donald Trump keine seine Forderungen durchsetzen können. Sein Image als "König des Pokers" hat bei seinen Anhängern tiefe Kratzer bekommen.

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Nur Narren – oder Leute mit einer Agenda – wollten weder eine Mauer noch eine Stahlbarriere, um das Land vor Kriminalität, Drogen und Menschenschmuggel zu schützen, twitterte Donald Trump, als er nach der Niederlage seine Wunden leckte. "Es wird passieren, es passiert ja immer!", fügte er hinzu. In den nächsten drei Wochen verhandeln Demokraten und Republikaner, was genau geschehen soll, um die Grenze zu Mexiko besser zu sichern. Ob Staatsbedienstete nach dem Fristablauf am 15. Februar erneut in den Zwangsurlaub geschickt werden, wagt niemand zu prophezeien. Sicher ist nur: Trump hat einen hohen Preis bezahlt für seine Art, dem erstarkten politischen Gegner die Pistole auf die Brust zu setzen, statt geduldig mit ihm zu reden.

Fünf Wochen nachdem er einen partiellen Regierungsstillstand provozierte, musste er den Shutdown abbrechen, ohne auch nur eine seiner Forderungen durchgesetzt zu haben. Der Kongress sollte 5,7 Milliarden Dollar für den Bau von Hindernissen an der Südgrenze bewilligen. Am Ende gab es nicht einen Cent. Die Ausgangsposition ist exakt die gleiche wie vor Weihnachten, nur dass Trump deutlich schwächer dasteht. In den Reihen der Republikaner ist vielen der Appetit auf ein zweites Kräftemessen vergangen, zumal Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Amerikaner ihnen und dem Präsidenten die Schuld an einer ohne Not verursachten Krise gibt.

Wie gering das Verständnis war, das selbst Wohlwollende noch für Trumps Brechstangenpolitik hatten, machte der Direktor des FBI, einer besonders hart getroffenen Behörde, mit einem ungewöhnlichen Gefühlsausbruch klar: Leute nicht arbeiten zu lassen, wenn sie es wollten, und andere zur Arbeit zu zwingen, ohne sie zu bezahlen, das sei "verrückt, kurzsichtig und unfair", polterte Christopher Wray, ein Konservativer, von Trump ernannt und bisher diskret loyal. Ann Coulter wiederum, die wohl spitzeste Kommentatorin der Rechten, wirft Trump vor, seine Anhänger an der Nase herumgeführt zu haben, als er einst die Mauer zur Wahlkampfikone machte.

Vorwurf des Verrats

"Gute Neuigkeiten für George H. W. Bush: Von heute an ist er nicht mehr der größte Waschlappen, der je als US-Präsident diente", twitterte sie. In Bush sehen die Verfechter der reinen Lehre einen Verräter, seit er Anfang der Neunzigerjahre angesichts leerer Staatskassen das Wahlversprechen brach, nie an der Steuerschraube zu drehen. Indem Trump beim Mauerbau einknickte, suggeriert Coulter, verrät er jene, denen er sein Amt verdankt.

Dennoch, dass die enttäuschte Basis auf Distanz zu ihrem Helden geht, ist kaum zu erwarten. Der Nationalist bleibt ihr Hoffnungsträger, eine Alternative zu ihm ist nicht in Sicht, zumindest noch nicht. Wohl aber könnten sich Wechselwähler, die ihm 2016 zum Sieg über Hillary Clinton verhalfen, desillusioniert von ihm abwenden. Ihnen hat sich Trump als Meister geschickten, energischen Verhandelns präsentiert. Als eine Art König des Pokers, der am Tisch mit anderen ein Spiel nach dem anderen gewinnen würde. Spätestens jetzt hat dieses Image tiefe Kratzer bekommen, denn nach dem Shutdown-Poker steht er mit leeren Händen da. In Nancy Pelosi, der Präsidentin des Parlaments, hat er seine Meisterin gefunden.

Statt sich auf verbale Nahkämpfe mit Trump einzulassen, wählte die Demokratin einen ausgesprochen kühlen, unbeirrt sachlichen Ton. Laut wurde sie nie, in der Sache blieb sie freilich hart. Damit beherzigte die 78-Jährige die Erfahrungen, die andere Politiker, gleich welcher Partei, in Duellen mit Trump machen mussten: Wer sich auf sein Niveau begibt, in die rhetorische Gosse, hat von vornherein verloren.

Kongress als Gegengewicht

Auch deshalb ist der Präsident gezwungen, nachträglich anzuerkennen, was sich verändert hat in der politischen Landschaft: dass der Kongress nicht mehr der verlängerte Arm des Weißen Hauses ist, der er zwei Jahre lang war, sondern ein echtes Gegengewicht. Will er weitere Blamagen vermeiden, muss sich Trump der neuen Lage anpassen. An Kompromissen mit den Demokraten führt kein Weg mehr vorbei, er wird erstmals praktizieren müssen, womit er seit langem prahlt: die Kunst des Deals. Erlernt er sie, liegt darin für ihn eine Chance. Er könnte sich Expräsident Bill Clinton zum Vorbild nehmen, der 1995 nach einer Kongresswahlschlappe begann, den kleinsten gemeinsamen Nenner mit den Republikanern zu suchen – und der 1996 mit klarer Mehrheit wiedergewählt wurde.

Lerneffekte? Im Augenblick sind sie nicht zu erkennen. Bekomme er keinen fairen Deal, drohte Trump kurz nach seiner Kapitulation, werde er die Regierung Mitte Februar erneut schließen. Oder aber den Notstand an der Grenze ausrufen, um die Mauer auch ohne grünes Licht des Kongresses bauen zu können. (Frank Herrmann aus Washington, 27.1.2019)