Gerhild Steinbuch und Jörg Albrecht vom Kollektiv "Nazis und Goldmund" verlasen am Samstag einen neuen Text von Elfriede Jelinek.

Foto: Colette M. Schmidt

Auf deutschen Theater- und Opernhäusern und anderen Kultureinrichtungen glänzt es schon seit längerer Zeit immer wieder. Die glitzernden Rettungsdecken, wie man sie in Apotheken bekommt, sind für die über 500 Kulturschaffenden und Institutionen der Initiative Die Vielen, das, was für andere gelbe Westen oder rote Schals sind. Manchmal werden sie auch als Fahnen an den Kulturbetrieben ausgeflaggt. Gegründet hat sich die Bewegung im Sommer 2018 in Berlin.

Gegen rechtsextreme Politik

Das gemeinsame Ziel von Häusern wie dem Berliner Ensemble, der Volksbühne, dem Deutschen Theater, allen großen Opernhäusern und vielen mehr ist es, jenen Menschen solidarisch beizustehen und zu helfen, die durch "eine rechtsextreme Politik immer weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden", wie es etwa in der "Berliner Erklärung" auf der Webseite der Deutschen Oper Berlin heißt.

Statt Rechtsextremen in ihren Häusern ein Podium zu geben, wollen die Mitglieder von Die Vielen einander stärken und sich besser vernetzen. Neben der Berliner Erklärung gibt es mittlerweile unter anderem eine Hamburger Erklärung und viele weitere aus Städten und Regionen. Etwa Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen und Thüringen, um nur einige zu nennen, haben sich angeschlossen, um "internationale Gesinnung und Kultur auf allen Ebenen" zu unterstützen.

Gründung im Brut

Künftig könnten die reflektierenden Decken – mittlerweile gibt es nachhaltige Textilvarianten zur Rettungsdecke – auch auf den Donnerstagsdemos in Österreich auftauchen. Am Samstagabend erfolgte der Startschuss für Die Vielen Österreich im Brut, das temporär in der Wiener Zieglergasse untergebracht ist. "Es haben schon sehr viele Kulturinstitutionen Interesse gezeigt", so Brut-Chefin Kira Kirsch.

Am Nachmittag hatten sich rund 40 Künstler und Mitarbeiter von Kultureinrichtungen, darunter das Burgtheater, das Forum Stadtpark, die IG Bildende Kunst und die IG Architektur, in einem Workshop vernetzt. Nun wird an einer österreichischen Erklärung gefeilt. "Noch hat niemand unterschrieben", sagt Kirsch, "weil die Erklärung noch nicht fertig ist". Weitere Termine werden auf der Seite www.dievielen.at kommuniziert werden. Dass gerade ihr Haus quasi als Brutstätte für den österreichischen Zweig der kulturellen Protestbewegung dient, hat damit zu tun, dass hier derzeit eine Veranstaltungsreihe der Gruppe Nazis und Goldmund rund um die Schriftstellerinnen Gerhild Steinbuch und Jörg Albrecht stattfindet. Diese hat sich ihrerseits schon 2016 im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl gebildet.

"Unter dem Eindruck, dass Norbert Hofer Bundespräsident werden könnte, wollten wir etwas unternehmen", erzählt die Österreicherin Gerhild Steinbuch dem STANDARD. Gemeinsam mit ihrem Berliner Kollegen Albrecht verlas Steinbuch am Samstagabend vor knapp 80 Menschen einen Text von Elfriede Jelinek. Die Literaturnobelpreisträgerin hatte ihn eigens für den Abend von Nazis und Goldmund geschrieben. Treffen im realen Raum statt dem Teilen von Texten in sozialen Medien ist auch einer der Leitgedanken von Nazis und Goldmund.

Altes Blut

"Ich bin jetzt so lang neben den Mächtigen hergerannt und habe nach ihren Knöcheln geschnappt, ohne dass sie auch nur einen Kratzer davongetragen hätten, ich laufe immer noch, aber jetzt habe ich das Gefühl, dass aus dieser Sandbahn heraus – die Strecke ist noch hie und da mit altem Blut gesprenkelt – etwas nach mir schnappt", beginnt Jelineks Text.

Die in Berlin lebende österreichische Schriftstellerin und Vizepräsidentin der Akademie der Künste Berlin Kathrin Röggla diskutierte danach mit Rechtsextremismusexperten Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und dem Publikum, was man "rechtsextremen Mythen und Narrativen" entgegenhalten könne. Röggla hat sich zuletzt intensiv mit dem NSU-Komplex beschäftigt.

(Colette M. Schmidt, 28.1.2019)