Ob sie auf der Bühne eines Theaters steht oder auf der eines Clubs, eines bleibt für Pippa Galli gleich: das Lampenfieber. Das plagt sie immer, das gehört dazu, damit kann sie umgehen. Zwar kennt die 33-jährige Wienerin Theaterbühnen, seit sie 16 war, doch neuerdings macht sie auch Musik. Deutschsprachige Popmusik mit Wiener Färbung in den Themen und den Orten.

Bei der Albumpräsentation in der Fledermaus sprach Pippa über ihren Stil, ihre Einflüsse und worum es in ihren Texten geht.
DER STANDARD

"Der erste Auftritt war sehr ungewohnt. Es ist schon etwas anderes, ob man sechs Wochen probt und hinter einer Figur steht oder als man selbst auf die Bühne geht und seine eigenen Lieder singt." Sie sei nämlich obendrein schüchtern, sagt sie. Allerdings so bestimmt, dass man sich keine Sorgen um sie macht.

Jetzt ist Pippas Debütalbum Superland erschienen. Dessen Entstehung ist die Geschichte eines Umwegs. Denn Sängerin wollte schon Klein Pippa werden, doch der pädagogischen Feinfühligkeit diverser Kunstlehrer war es geschuldet, dass sie sich das Malen und die Musik lange Zeit nicht zugetraut hat. Da wurden sämtliche Talente in Abrede gestellt, Zeichnungen vor ihrem Gesicht zerrissen.

Klar ohne Naivität, präzise ohne Zynismus. Die Schauspielerin Pippa Galli veröffentlicht als Pippa ihr Debütalbum Superland.
Foto: Daniel Wolf, notpictured.net

Kein Reimzwang

Pippa Galli wurde also Schauspielerin. Das lag nahe, es liegt nämlich in der Familie: Ihre Eltern sind Schauspieler. Pippa spielte im Theater im Rabenhof, am niederösterreichischen Landestheater, im Volkstheater oder in der Drachengasse. Sie hatte Auftritte im Tatort, bei Schnell ermittelt, Soko Kitzbühel und den Copstories. Daneben spricht sie Hörspiele oder Beiträge für diverse Radiosendungen des ORF, und letzten Advent war sie breit gestreut auf Plakaten eines Mobilnetzbetreibers zu sehen.

In ihrer Musik wirkt sie entwaffnend authentisch. Ihre Songs bemühen eine einfache, klare Sprache. Keine Zwangsreime, keine Zwangsoriginalität verbauen die Melancholie. Vielleicht ist das ein Überbleibsel aus ihrer Kindheit, in der ihr ihre Mutter oft Beatlestexte übersetzt hat. Deren einfache, dabei bedeutungsvolle Sprache hat ihr gefallen.

Flucht aus dem Alltag

Das Cover von Superland zeigt Pippa im Böhmischen Prater und fungiert als ein Alias des Albumtitels. Es ist ein Universum der Träume und ein Fluchtort im Alltag, der dann doch immer ein wenig präsent ist. Zwar sei er abgefuckt und morbide, der Böhmische Prater, er habe aber auch etwas Tröstliches, das in ihrer Kindheit wurzelt, als Besuche dort biografische Höhepunkt bedeuteten. "Ich fühl mich da wohl."

Pippa feiert in Loser die Underdogs.
redelsteiner

Ihre Lieder durchmisst sie ohne Ironie, mit einer Klarheit, die rechtzeitig vor der Naivität abbiegt. Eine Ballade wie Loser feiert die Underdogs, der Opener Riesenrad verströmt ein einnehmendes Beziehungsphlegma, das alles offenlässt: "Gemma was trinken oder spazieren, du hast die Wahl", singt sie. Ein Happy End ist möglich, darauf wetten würde man nicht.

Fuzzman am Bass

Nachdem sie sich spät doch der Musik zugewandt hat, wurde sie von ihrem Freund Hans Wagner ermutigt und unterstützt. Wagner ist Chef der Band Neuschnee und spielt die meisten Instrumente auf ihrer Platte; am Bass hat Herwig Zamernik alias Fuzzman ausgeholfen. Eine naheliegende Entscheidung.

Zackige Uptemposongs

Zuvor hatte Pippa Demos aufgenommen und an Labels verschickt. Sie hoffte, Stefan Redelsteiner würde sich melden. Der betreibt gemeinsam mit Zamernik das Lotterlabel und hat Wanda entdeckt. Die Hoffnung erfüllte sich, schon nach zwei Stunden rief Redelsteiner an, Zamernik hat das Album schließlich produziert.

Doch nicht nur in der Melancholie zeigt sich Pippa firm, auch ihre Uptemposongs überzeugen. Lieder wie Tattoo, Happy Hour oder Autodrom erinnern an die Neue Deutsche Welle, an zackige Bands wie Ideal – aber eben ohne deren Hang zur Ironie.

Was ist das für ein Fleck? Es ist ein Tattoo.
Pippa - Topic

Autodrom schunkelt hübsch und empfiehlt gepflegte Karambolagen mit Gummiboliden als einfaches Mittel gegen Traurigkeit. Dieses Gefühl taucht immer wieder einmal auf, Pippa verwehrt sich bewusst nicht dagegen, dass Kunst auch therapeutisch sein kann. "Traurigkeit kennt ja jeder Mensch, warum sollte ich das aussparen?"

Warum die Traurigkeit aussparen? Riesenrad von Pippa.
redelsteiner

Was hauptsächlich Frauen kennen, ist ihre Festlegung auf Rollenbilder. Das ist am Theater so, das ist im Popgeschäft so. Für Pippa ist das also zwangsweise ein Thema. Als Frau hat sie es bedeutend schwerer, Airplay zu kriegen, denn die Entscheider sind fast überall Männer. Und deren Projektionen sind spürbar. "Die Vermarktung im Pop läuft nach Klischees wie der Femme fatale, dem Mädchentyp, den burschikosen Frauen." Pippa will aber kein Image bedienen.

"Nichts gegen Frauen wie Lana Del Rey, aber deren Image läuft halt nur über den Sexappeal, ich bleib da lieber bei mir." Macht das traurig? "Nein, ich kann damit schon umgehen, aber es wäre schön, wenn sich das irgendwann ändern würde." (Karl Fluch, 29.1.2019)