Ulrike Maier aus Rauris jubelt am 29. Jänner 1991 nach ihrem Sieg im Super-G bei der WM in Saalbach. Sie hatte den Titel verteidigt. Exakt drei Jahre später verunglückte sie in der Abfahrt von Garmisch tödlich.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Die Fahrt zu Gold in Saalbach.

Alexx87

Die Nachricht, die keiner hören wollte, kam erst am frühen Abend, weil zuvor noch die Familie Abschied nehmen sollte. Ulrike Maier, teilte die Unfallklinik in Murnau dann gegen viertel sieben mit, ist tot. Verstorben war sie Stunden zuvor. Und was sich längst wie ein Grauschleier über Garmisch-Partenkirchen gelegt hatte, war mit einem Mal traurige, schreckliche Gewissheit.

Eine 26-jährige Mutter aus Rauris in Salzburg, zweimalige Weltmeisterin im Super-G, war tödlich verunglückt. Genickbruch. In der letzten Saison, in der sie es sich und allen noch einmal hatte beweisen wollen. Nach einem Sturz, den niemand für möglich gehalten hatte. Er wurde ausgelöst durch neuartige, stark taillierte Skier, die bei den Rennläufern als der letzte Schrei galten, doch deren Gefahren sich erst an diesem 29. Jänner 1994 offenbarte.

Als Ulli Maier an diesem Samstag um 13.58 Uhr mit der Startnummer 32 auf die Strecke ging, waren die Besten bereits im Ziel. Die Italienerin Isolde Kostner hatte zig Siegerinterviews gegeben. Die Österreicherin gehörte nicht zur Abfahrtselite, sie hatte ihre Stärken im Riesenslalom und Super-G, in dem sie 1989 in Vail Weltmeisterin geworden war: Damals war sie im dritten Monat schwanger gewesen. Als sie 1991 in Saalbach wieder WM-Gold gewann, wartete Tochter Melanie im Ziel auf dem Arm des Vaters.

Das Unglück geschah in der Traverse vor dem Zielhang. Bei Tempo 105 verschnitt Maier den rechten Ski, stürzte entgegen allen bekannten Szenarien bergauf und prallte auf einen mit einem Strohballen abgedeckten Schneekeil, der den angesägten Pfosten für die Zeitmessanlage sichern sollte. Durch die Wucht des Aufpralls und die Körperrotation wurden Halswirbelsäule und Rückenmark durchtrennt. 400 Kilogramm hatten laut Gutachter auf Körper und Kopf gewirkt. Dass das Rennen fortgesetzt wurde, schien absoluter Wahnsinn, zumal die Zeitlupenbilder das Schlimmste hatten befürchten lassen.

Überforderung

Michaela Dorfmeister, die spätere Doppel-Olympiasiegerin, startete nach der langen Unterbrechung, die heute 45-Jährige belegte Platz 29. "Alle Beteiligten waren mit der Situation überfordert." Österreichs Damenteam blieb der nächsten Weltcupabfahrt in Sierra Nevada fern. Bei den unmittelbar darauffolgenden Olympischen Spielen in Lillehammer gab es lediglich Slalomsilber durch Elfriede Eder. Cheftrainer Herwig Demschar hörte mit Saisonende auf, wechselte in die USA. In Garmisch fuhren die Frauen erst wieder 2011 ab.

Am Tag nach dem Unfall stand Maiers Lebensgefährte Hubert Schweighofer an der Unfallstelle und schwor medienwirksam: "Die Herrschaften werden dafür bezahlen. Ich werde die Verantwortlichen der Fis verfolgen bis in die letzte Instanz." Garmischs OK-Chef Hubert Ostler erhielt danach Morddrohungen, den Österreicher Kurt Hoch, Renndirektor des internationalen Skiverbandes, bewachten Personenschützer.

Ende April 1996 standen Hoch und sein Stellvertreter Jan Tischhauser aus der Schweiz in München wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht, der Prozess endete mit einem Vergleich: Beide zahlten umgerechnet je 5.000 Euro an die Bergwacht in Garmisch, die Fis überwies an einen Fonds zugunsten von Melanie Maier umgerechnet 375.000 Euro. Der Vorsitzende Richter betonte: "Eine etwaige Schuld der beiden Angeklagten, falls sie festgestellt worden wäre, wäre gering gewesen."

Ursächlich für den Sturz von Maier waren die damals immer stärker taillierten und mit immer höheren Bindungsplatten versehenen Skier. Nach dem Todesfall wurden sie reglementiert, die Sicherheitsvorkehrungen an den Strecken wurden überdacht und massiv verstärkt – effektive Hochsicherheitsfangnetze, blaue Spuren im Schnee, bessere Helme, nicht obligatorische Airbags. Seit der Saison 1994/95 müssen die Skirennläufer eine Athletenerklärung unterschreiben, mit der sie bestätigen, Rennen auf eigenes Risiko zu fahren.

Verlagerung

In der Tat hat sich seit dem 29. Jänner 1994 kein Todesfall mehr bei einem Weltcuprennen ereignet. Tote gab es bei Trainingsfahrten oder Nachwuchsrennen. Zuletzt starb im Dezember 2017 der junge Deutsche Max Burkhart nach einem Sturz bei einem Rennen des Nordamerika-Cups in Lake Louise, Kanada.

Ulli Maier hatte erst nach den beiden Weltmeistertiteln Weltcuprennen gewonnen, insgesamt fünf. Melanie ist heute 29 Jahre alt und selbst Mutter. Schweighofer hat nach einer Heirat zwei weitere Kinder, er ist Pilot bei einem Bedarfsflugunternehmen und betreibt eine Skischule in Rauris.

"Seinem Schicksal", hat Ulli Maier einmal gesagt, "kann niemand entrinnen." Sie ist in ihrem Heimatort Rauris bestattet. (sid, APA, hac, 28.1.2019)