Unbedachtes Hantieren: Marta Kizyma und Martin Vischer in "Beben" im Vestibül.

Foto: Reinhard M. Werner

Wien – Neue Stücke können ganz schön verwirrend sein. Besonders dann, wenn man einfach nicht weiß, wer da jetzt spricht. Es gibt keine Figuren, keine Namen, keine Anzahl von ihnen. Doch genau mit dieser indefiniten Rede sind die Texte einer jungen Autorengeneration der Gegenwart auf der Spur: Einer Welt, die nicht immer preisgibt, wer das Wort erhoben hat oder wer einen Chatbeitrag abgeschickt hat. Und ob dahinter Spiel steckt oder Ernst.

Maria Milisavljevic, 1982 im sauerländischen Arnsberg geboren, hat in ihrem Stück Beben ein solches rätselhaftes Stimmengewirr abgebildet, in dem eine Handvoll Personen ("wir") einer Welt angehören, die auf beklemmende Weise zwischen Computerspiel und Realität in der Luft hängt. Sie sind einem Strom an medial zugerichteten Katastrophenmeldungen ausgeliefert, die am Ende und in aller Fülle schließlich nichts mehr wert sind. Zurück auf die Couch!

Fernsehprosa und schönes Pathos

Videogame-Charme und echter Krieg kommen einander gefährlich nahe. Dank einer herzhaft abgemischten Sprache – zwischen deutscher Fernsehprosa und erhebendem Pathos – hat Milisavljevic damit 2016 den Autorenpreis des renommierten Heidelberger Stückemarkts gewonnen. Und gleich dazu noch den Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis.

Bei der österreichischen Erstaufführung im Vestibül des Burgtheaters (Regie: Anna Stiepani) sind es vier Figuren, die nur von drinnen an der Welt draußen teilhaben. Sie hören ein Dröhnen und bleiben ängstlich. Beobachtet werden die zaghaften Protagonisten (Marta Kizma, Valentin Postlmayr und Martin Vischer) von einem "Mann an der Kante von Ulro" (Daniel Jesch), den Milisavljevic beim englischen Dichter William Blake entliehen hat. Ulro meint das Land der Wahnvorstellungen, die als primäre Realitäten missverstanden werden: "Resident evil vor der Haustür"!

Hinter Plexiglas

Es gelingt Stiepani ziemlich gut, diese Realitätsverbrämung, den Zustand der Vermischung aller Katastrophen (der realen wie der gespielten) ineinander zu flechten: In Dioramen hinter Plexiglas sperrt sie ihre Geschöpfe, die in mythisch durchdrungenen Heldenkleidern (Bühne und Kostüme: Thurid Peine) ihre Fake-Handlungen kommentieren. Die Körper spiegeln sich in den Glaswänden, und irgendwann reicht der eine nur mehr dem Spiegelbild der anderen die Hand.

Der Text will ein bisschen viel auf einmal, aber mit ein wenig Nachdenk- und Ordnungszeit entpuppt er sich als Füllhorn an raffinierten Kurzschlüssen. (Margarete Affenzeller, 29.1.2019)