Das "Reihenhaus in Meidling", in dem Kanzler Kurz lebt, lässt sich dank einer verräterischen Szene in der ARD-Doku relativ leicht finden.

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Bundeskanzler stehen nicht im Telefonbuch. Auch über das Meldeamt lässt sich ihre Adresse nicht erfahren, da diese mit einem Sperrvermerk belegt ist. Zwar weiß die Öffentlichkeit meistens, in welchem Bezirk Kanzler oder Bundespräsident wohnen, die exakte Adresse gilt aber als geheim.

Durch eine ARD-Doku über Sebastian Kurz, die Montagabend ausgestrahlt wurde, ist das Geheimnis in seinem Fall nun gelüftet worden. Schuld daran ist eine Szene, die Kurz in der Früh beim Verlassen seines Hauses zeigt. Findige Personen, also etwa Nachrichtendienstler, aber auch Kriminelle oder Terroristen, sind aufgrund dessen in der Lage, mit einem einfachen Internetzugang binnen zehn Minuten den Wohnort von Kurz herausfinden.

Eindeutige Ortsmarkierungen

Das liegt daran, dass die ARD den Kanzler beim Verlassen seines Hauses in zwei Perspektiven zeigt. Dadurch ist auf der einen Seite ein bestimmter Dachgiebel erkennbar, auf der anderen Seite ein spezifisches Gebäude samt einer seltenen Art von Straßenkreuzung. Außerdem sind die umliegenden Gebäude sichtbar, man sieht etwa Altbauten auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Da die ARD-Doku zusätzlich darüber informiert, dass Kurz in einem "Reihenhaus in Meidling" wohnt, lässt sich das Gebiet sehr leicht eingrenzen.

"Gröbere Sicherheitspanne"

Dem STANDARD war es so möglich, die exakte Adresse des Bundeskanzlers herauszufinden. Ein ehemaliger Spitzenpolizist, der anonym bleiben will, spricht von einer gröberen Sicherheitspanne. Eigentlich hätten Aufnahmen beim echten Wohnort von Kurz verboten oder zumindest aufmerksam gesichtet werden müssen.

Für den Schutz des Kanzlers ist prinzipiell die Cobra zuständig, für die Gefährdungseinschätzung das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Aus dem Innenministerium heißt es, dass "das Material der ARD vom BVT weder gesichtet noch abgenommen wurde". Dafür gebe es auch "keine Rechtsgrundlage; auch ist der Bundeskanzler in keiner Weise dazu verpflichtet, die Anfertigung oder Inhalte einer solchen Reportage dem BVT mitzuteilen".

Sicherheitsbehörden zuständig

Aus dem Bundeskanzleramt heißt es, dass "Personenschutz und Objektschutz auf Grundlage des Sicherheitspolizeigesetzes" nach einer "Gefährdungseinschätzung" zu treffen seien. Sicherheitsbehörden seien auch für den "Schutz der persönlichen Daten verantwortlich". Das Bundeskanzleramt verweist darauf, dass in der ARD-Doku "zu keinem Zeitpunkt ein Türschild oder Straßenname ersichtlich" war – dennoch bittet man den STANDARD, die zur Bestätigung mitgesandte Adresse "nicht zu nennen".

Die Zuordnung exakter Adressen durch Satellitenbilder und Straßenaufnahmen wird als Geolocation bezeichnet. Vor allem in Kriegsregionen werden so Videoclips auf ihre Authentizität überprüft. Die journalistische Rechercheplattform "Bellingcat" hat in den Konflikten in Syrien und der Ukraine durch Geolocation zahlreiche Skandale aufgedeckt. (Fabian Schmid, 31.1.2019)