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Eines vorweg: Wenn jetzt lautstark der türkis-blaue Postenschacher in der Nationalbank und darüber hinaus beklagt wird, sollte man die Vergangenheit nicht gänzlich ausblenden. Die Regierung setzt nämlich lediglich das fort, was unter Rot-Schwarz gang und gäbe war. Jahrzehntelang wurde die Notenbank streng nach dem sogenannten Honolulu-Abkommen zwischen SPÖ und ÖVP aufgeteilt, ein Reservoir für Berater und künftige Mitarbeiter mit gut dotierten Posten gehegt und gepflegt. Dass ein Machtwechsel nicht spurlos an der finanzpolitischen und volkswirtschaftlichen Bastion der Republik vorübergeht, liegt ziemlich nahe.

Einige der nun erfolgten Besetzungen sollten auch nicht aus Bestemm verurteilt werden. Der künftige Notenbank-Gouverneur Robert Holzmann hat als hochdekorierter Ökonom durchaus das Zeug dazu, die Institution professionell zu führen und Österreich im Rat der Europäischen Zentralbank zu vertreten. Als früherer Weltbank-Direktor verfügt er international über hohes Ansehen. Ja: Holzmann sitzt auf einem blauen Ticket. Doch wesentlich für den Job sind nicht politische Zuordnungen, sondern Qualifikation und Unabhängigkeit. Ersteren Anspruch erfüllt Holzmann wohl, selbst wenn über seine Kompetenzen in Währungsfragen wenig bekannt ist. Und beim zweiten Kriterium sollte man darauf vertrauen dürfen, dass sich ein über die Grenzen hinweg anerkannter Experte, der demnächst 70 Jahre alt wird, nicht von der FPÖ gängeln lassen wird.

Mit Gottfried Haber hat nun auch der derzeitige Chef des Fiskalrats und Universitätsprofessor eine hohe Position ergattert, für die er schon lange im Gespräch ist. Er muss seine Eignung aber erst unter Beweis stellen.

Posse

Was sehr wohl thematisiert werden sollte, ist die Kluft zwischen den eigenen Maßstäben der Koalition und der Realität, die immer größer wird. Zum gebetsmühlenartig vorgebrachten "neuen Stil" der Regierung zählt selbige auch Postenbesetzungen nach streng fachlichen Kriterien. Vor allem die FPÖ legt aber ständig den Gegenbeweis vor. Das zeigte sich besonders deutlich beim SMS-Hoppala von Parteichef Heinz-Christian Strache. In der falsch verschickten Mitteilung warnte er davor, dass bei der Notenbank ein (künftig blauer) Direktorenposten im Zusammenhang mit der Verschiebung der Bankenaufsicht in die FMA wegfallen könnte. Frei interpretiert heißt das: lieber einen unnötigen Posten blau besetzen, als ihn zu streichen.

Das ist insbesondere vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund eine ziemliche Posse: Es war ein gewisser Jörg Haider, der mit seinen Ausritten gegen Filz und Privilegien in der Nationalbank Furore machte. Die heutige Strache-FPÖ hat nun kein Problem damit, einen nichtamtsführenden Wiener Stadtrat in eine Position zu hieven, die ziemlich überflüssig ist. Wie schnell sich doch die Notenbank vom Feindbild zum Futtertrog gewandelt hat.

Die "neue" ÖVP scheint damit kein Problem zu haben, ebenso wenig mit der Durchdringung anderer staatsnaher Bereiche durch mäßig qualifizierte blaue Gewährsleute. Zum Koalitionsfrieden zählt eben auch, dass man den anderen gewähren lässt.

Jetzt Postenschacher zu beklagen mag gutes politisches Kleingeld bringen, greift aber zu kurz. Wirklich relevant ist: Welche Qualitäten haben die Leute an den Schaltstellen? (Andreas Schnauder, 30.1.2019)