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Präsident Mahmud Abbas versucht die Zügel in der Hand zu behalten: Die Regierung wurde entlassen, das Parlament aufgelöst. Sein Sozialversicherungsgesetz musste er nach Protesten zurücknehmen.

Foto: AP/Majdi Mohammed

Das Parlament aufgelöst, die Regierung zurückgetreten: Nach einem lähmenden Stillstand seit Jahren kommt Bewegung in die palästinensische Politik, allerdings mit ungewissem Ausgang. Präsident Mahmud Abbas – 2005 gewählt, Wahlen seit 2009 überfällig – hat am Dienstag den Rücktritt der Regierung von Rami al-Hamdallah angenommen, der auf Wunsch des Fatah-Zentralkomitees erfolgt ist. Anfang des Jahres hatte der von Abbas kontrollierte Verfassungsgerichtshof bereits das Parlament (Palästinensischer Legislativrat) aufgelöst, das seit der Spaltung der Palästinenserfraktionen Fatah und Hamas 2007 ohnehin gelähmt ist.

Hamdallah war seit 2013 Premier und stand seit 2014 einem Technokratenkabinett vor, das in einem Versöhnungsanlauf zwischen Abbas' Fatah und der islamistischen Hamas, die den Gazastreifen regiert, gebildet worden war. Das Ende des Kabinetts ist ein Eingeständnis des Scheiterns der Normalisierung. Die nächste Regierung soll aus der PLO bestückt werden, wobei sich allerdings einige Fraktionen sträuben sollen.

Als wahrscheinlichsten Kandidaten für das Premiersamt nennen fast alle Beobachter Zentralkomitee-Mitglied Mohammed Shtayyeh. Aber infrage kommen sollen auch Mahmud Alloul, Fatah-Vizechef, Saeb Erekat, Generalsekretär des PLO-Exekutivkomitees, der Minister für Zivilangelegenheiten, Hussein al-Sheikh und der Chef des palästinensischen Investmentfonds, Mohammed Mustafa.

Personelle Weichenstellung

Die Entscheidung wird auch deshalb mit Spannung erwartet, weil es nicht unwahrscheinlich ist, dass der neue Premier einmal zumindest für eine Übergangszeit Mahmud Abbas als Präsident beerben könnte. Abbas, mit dem Rufnamen Abu Mazen, ist 83 Jahre alt und herzkrank.

Seine Popularität ist seit langer Zeit im Sinkflug, bei Umfragen wünschen sich bis zu zwei Drittel der Befragten seinen Rücktritt. Eine Manifestation der Unzufriedenheit und des Misstrauens gab es zuletzt bei den Protesten gegen ein bereits 2016 geschaffenes Sozialversicherungsgesetz für den Privatsektor, dessen Umsetzung nun beginnen sollte: Gegen die Einführung einer Steuer von sieben Prozent, die einen Pensionsfonds speisen sollte, brachen heftige Proteste aus, Mitte Jänner wurde auch gestreikt. Viele Minimalverdiener werden von der Steuer hart getroffen, dazu kommt das tiefe Misstrauen, ob das Geld auch wirklich dem deklarierten Zweck zugeführt wird.

Vor wenigen Tagen gab Abbas nach und versprach die Überarbeitung des Gesetzes. Nach dem Abgang des Kabinetts Hamdallah muss die PLO, wenn sie eine rein politische Regierung bildet, damit rechnen, dass sie noch mehr direkt in der Kritik der Menschen – ohne wirtschaftliche und ohne politische Perspektive auf einen eigenen Staat – stehen wird. Obwohl die Beziehungen zwischen Abbas und Israel zerrüttet sind, wird die Palästinenserbehörde von vielen als Werkzeug der israelischen Politik gesehen.

Wie es nach der Auflösung des Parlaments weitergeht, ist auch noch offen: Natürlich wären Legislativwahlen wünschenswert, sie hätten ja schon 2010 stattfinden sollen. Aber durch die Zementierung des Bruchs der Fatah mit der Hamas wird es noch unwahrscheinlicher, dass Westjordanland und Gazastreifen zusammen wählen können.

Gesetzgeber Abbas

Als Gesetzgeber hat sich in den vergangenen Jahren der Präsident selbst betätigt, was ihm eine Notverordnung prinzipiell erlaubt – mit der Abbas aber recht nonchalant umgegangen ist. Auch die Trennung der Justiz von Legislative und Exekutive ist unter diesen Umständen längst nicht mehr gegeben: Der Verfassungsgerichtshof, der das Parlament vor kurzem auflöste, wurde von Abbas 2016 geschaffen. Deshalb ist sowohl das Gericht als auch dessen Entscheidung, das Parlament im Alleingang aufzulösen, bei Juristen umstritten.

Die Entscheidung, die Einheitsregierung zu entlassen, kommt inmitten eines russischen Vermittlungsversuchs zwischen Hamas und Fatah. Mitte Februar sind etliche Palästinenserfraktionen nach Moskau eingeladen. Gespräche in Kairo im Vorjahr haben jedoch letztlich zu nichts geführt. Abbas versuchte die Hamas auch in die Knie zu zwingen, indem er die Gehaltszahlungen der Palästinenserbehörde im – schon unter der israelischen Blockade leidenden – Gazastreifen stoppte und die Diesellieferungen für die Stromerzeugung aussetzte. (Gudrun Harrer, 30.1.2019)