Medienforscherin Elizabeth Prommer verfasste die Studie ...

Foto: BrauerPhotos / Neugebauer

... im Auftrag von Maria Furtwänglers Ma-Lisa-Stiftung.

Foto: imago

Sie heißen Bibi, Beki, Sally und Dagi Bee, sie sind jung, schlank und fröhlich, sie geben Schminktipps, basteln, kochen, nähen. "Ein Rollenbild wie in den 1950er-Jahren", sagt Elizabeth Prommer.

Tausend Youtube-Kanäle und 2000 Videos hat die Medienforscherin von der Uni Rostock mit der Filmuniversität Babelsberg und dem Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen beim Bayerischen Rundfunk für eine Studie über die Selbstdarstellung junger Frauen in neuen Medien gescannt und 14 Youtuberinnen in Interviews befragt. Auftraggeber war die Ma-Lisa-Stiftung der Schauspielerin Maria Furtwängler und ihrer Tochter Elisabeth.

Erfolgreich mit BibisBeautyPalace: Bianca Heinicke
Foto: YouTube/Screenshot

Die Ergebnisse sind hinsichtlich der Geschlechtervielfalt und der Wahlfreiheit der Protagonisten im Netz ernüchternd:

· Unterrepräsentiert Youtube gibt Männern mehr Raum: 69 Prozent männlichen Youtubern stehen in den untersuchten Kanälen nur 29 Prozent Frauen gegenüber.

· Schicke Hausmütterchen Youtuberinnen zeigen sich vor allem mit Formaten und Themen, die als weiblich gelten: "Sie sind dünn, langhaarig und beschäftigen sich hauptsächlich mit dem Thema Mode", sagt Prommer. "Weibliche Selbstinszenierung findet nur in einem begrenzten Korridor statt."

· Mehr privat 71 Prozent der Youtuberinnen zeigen sich laut Studie in ihrer Wohnung. Junge Männer präsentieren sich selbst eher in professionellem Umfeld. "Youtuberinnen stellen sich mit ihren privaten Hobbys dar, sie agieren nicht in der Professionalität. Wenn ein junger Mann sich beim Sport zeigt, tut er es als etwas, das er gut kann", sagt Prommer.

· Selbstbildnis Untersucht wurde auch die Selbstdarstellung auf Instagram. Mädchen zeigen sich dort laut Studie vorzugsweise in fünf Posen: "wahlweise mit zur Seite ausgestelltem Bein, zufällig überkreuztem Bein, angewinkeltem Arm und die Hand wie beiläufig im Haar, attraktiv in S-Form gebogenem Körper oder vermeintlich zufälligem Blick über die Schulter".

· Wirkung Mädchen ahmen Aussehen, Gestik, Mimik der Influencerinnen nach und kopieren deren bevorzugte Motive. Eine Youtuberin wie Dagi Bee, deren Videos hunderttausende Male geschaut werden, beeinflusst ihre Followerinnen: 100 Prozent der Mädchen, die Dagi Bee folgen, verändern ihr Aussehen mittels Fotofilter: Sie vergrößern ihre Brüste, verlängern ihre Beine, machen ihre Pos muskulöser.

· Musikvideos "Frauen werden in Musikvideos oft stark sexualisiert inszeniert und als dem Mann untergeordnet dargestellt", heißt es in der Studie. Auch der Blickwinkel ist einseitig: "53 Prozent der Videos zeigen Frauen ohne Kopf." Prommer: "Damit wird signalisiert: Als Frau braucht man deinen Kopf und dein Hirn nicht, sondern nur Busen und Hintern."

Grafik: DER STANDARD

Hinter solchen tradierten Geschlechterbildern sieht Prommer Produktionszwänge: "Youtube ist nicht der freie Raum. Für eine Youtuberin ist es sehr viel leichter, Geld zu verdienen, wenn sie im Beautybereich ist, und nicht, wenn sie Politik macht. Diese Marktmechanismen blenden die Vielfalt der Frauen noch extremer aus." Eine Youtuberin in der Studie bestätigt das: "Eine starke eigene Meinung schmälert deinen finanziellen Wert, weil sich dann bestimmte Firmen nicht mit dir zeigen wollen." Prommer: "Teil des Produktionszwangs ist das Netzwerken. Die jungen Männer sind drinnen, sie vernetzen sich stärker und spülen Videos gegenseitig nach oben. Frauen kommen in diese Netzwerke nicht so rein. Wenn sie die klassischen Frauenthemen verlassen, müssen sie mit viel mehr Hatespeech rechnen."

Grafik: DER STANDARD

Neue Medien seien aber wichtige Sozialisationsfaktoren für junge Männer und Frauen, sagt Prommer: "Wenn wir die Vielfalt an Körpern, Rollen und Berufen nicht sehen, verschließt sich uns ein Teil der Wirklichkeit." Die Begeisterung für Bibi und Co sei Teil des Heranwachsens: "Meine eigene Tochter hat mit neun Jahren Bibi Claaßen geschaut. Jetzt ist sie 13 und verfolgt Wissenssendungen."

2017 präsentierte die Ma-Lisa-Stiftung Zahlen über Geschlechterdarstellungen im deutschen Film und Fernsehen. Der Befund fiel deutlich gegen die Frauen aus. Hat sich seither etwas geändert? "Ich habe das Gefühl, viele Sender bemühen sich, mehr auf Diversität zu achten", sagt Prommer. Wissenschaftliche Belege verspricht sie für 2021.
(Doris Priesching, 31.1.2019)