Die sibirische "Höhle von Denis" nahe der Grenze zu Kasachstan war Unterkunft für mehrere menschliche Spezies.
Foto: Richard (Bert) Roberts

Die "Höhle von Denis" im südsibirischen Altai-Gebirge nahe der Grenze zu Kasachstan umfasst eine Bodenfläche von etwa 270 Quadratmetern und verläuft verhältnismäßig eben. Sie besteht aus einem knapp 100 Quadratmeter großen Hauptraum, der gleich hinter dem Eingang liegt, und enthält darüber hinaus einige weitere, kleinere Nebenräume. Der Eingang der Höhle liegt rund 30 Meter oberhalb eines Flusses. Für die Menschen der Steinzeit bot die Denisova-Höhle damit vermutlich durchaus vorteilhafte Lebensbedingungen.

Dass dem tatsächlich so war, ergaben archäologische Ausgrabungen, die seit den 1970er-Jahren dort durchgeführt wurden: Zahlreiche Fossilienfunde zeigten, dass in der Denisova-Höhle Neandertaler über lange Zeiträume hinweg ein Zuhause gefunden hatten. Seit einer 2010 veröffentlichten Studie auf Basis von Knochenfragmenten und Zähnen ist jedoch klar, dass die Denisova-Höhle zumindest zeitweise auch von einer anderen, bis dahin unbekannten Menschenart bewohnt worden war.

Zur Radiokarbon-Datierung wurden auch zahlreiche Funde aus dem Untergrund der Denisova-Höhle herangezogen.
Foto: Katerina Douka

Die archäologischen Grundlagen dieser Erkenntnis sind allerdings vergleichsweise spärlich: Ganze fünf Fossilien konnten bisher die Existenz des rätselhaften Denisova-Menschen belegen. Wann die Denisovianer in dieser Höhle Einzug hielten und wie lange sie sich dort – wahrscheinlich zeitgleich mit Neandertalern – aufgehalten haben, war bisher dagegen weitgehend unklar.

Zumindest einige dieser Fragen konnte nun ein internationales Forscherteam im Rahmen zweier im Fachjournal "Nature" veröffentlichter Studien beantworten. Die Wissenschafter um Tom Higham von der University of Oxford analysierten mithilfe unterschiedlicher Datierungsmethoden sowohl die Bodenschichten, in denen die Denisova-Fossilien gefunden worden waren, als auch die Knochen und Zähne der Urmenschen selbst.

Detaillierte Zeitleiste

Auf dieser Grundlage erstellten die Forscher eine detaillierte zeitliche Abfolge der fossilen Ablagerungen und Artefakte in der Höhle, wobei die ältesten Funde ein Alter von 300.000 Jahren aufwiesen und die jüngsten Schichten rund 20.000 Jahre alt waren. Letztlich kamen die Wissenschafter zu dem Schluss, dass Denisova-Menschen die Höhle nach konservativer Einschätzung zwischen 287.000 und 55.000 Jahren vor heute als Unterkunft genutzt haben.

Die Archäologen Natalia Belousowa (Russische Akadamie der Wissenschaften) und Tom Higham von der University of Oxford nehmen aus der Denisova-Höhle Proben zur Datierung.
Foto: Sergey Zelinski, Russian Academy of Sciences

Weiters zeigte sich bei den Untersuchungen, dass Neandertaler dort tatsächlich ebenfalls heimisch waren, nämlich zwischen 193.000 und 97.000 Jahren vor heute. Der Großteil der Neandertaler-Funde in der Denisova-Höhle stammt demnach aus der letzten interglazialen Periode vor rund 120.000 Jahren. Die Analysen untermauern, was sich aufgrund jüngster Studien abgezeichnet hat: dass Denisova-Menschen und Neandertaler gemeinsame Kinder gezeugt haben.

Nachkommen zweier Spezies

Einen direkten Nachkommen einer Neandertalerin und eines Denisova-Mannes aus der Denisova-Höhle haben Forscher erst vor wenigen Monaten genetisch nachweisen können. Die Analysen hatten gezeigt, dass die rund 50.000 Jahre alten Überreste von einem etwa 13 Jahre alten Kind stammten. Die Wissenschafter schließen aus den aktuellen Datierungen und den bisherigen genetischen Untersuchungen, dass Neandertaler und Denisova-Menschen durchaus regelmäßig Gemeinschaften gebildet haben könnten.

Dennoch lässt die Höhle im Altai-Gebirge noch zahlreiche Fragen offen: Beispielsweise sei weiterhin unklar, ob Neandertaler, Denisova-Menschen oder moderne Menschen die dort geborgenen Artefakte geschaffen haben. Higham und sein Team hoffen, dass weitere in den Sedimenten verborgene DNA-Spuren dabei helfen, die Schöpfer dieser Gegenstände zu identifizieren. (Thomas Bergmayr, 30.1.2019)