Mit einer Coverversion von "Rise Like A Phoenix" wurde Bilal Hassani 2015 im französischen Fernsehen bekannt. Nun fährt er zum Song Contest.

Foto: Thomas SAMSON / AFP

Er wusste, was auf ihn zukommt. In seinem Lied Roi (König), mit dem er sein Land beim Eurovision Song Contest im Mai vertreten wird, singt Hassani selbst: "Ich entspreche nicht der Norm, und das stört viele." Er sei sich der "Blicke und Ansichten" der anderen wohl bewusst, fährt der 19-jährige Sänger mit dem weiblichen Look fort, um halb auf Französisch, halb auf Englisch klarzustellen: "Je suis free" ("Ich bin frei").

Nicht alle mögen das. Zahllose und teils sehr gehässige Reaktionen flirren seit Hassanis Vorwahlsieg am vergangenen Wochenende durch die sozialen Medien. Die Tageszeitung Midi Libre zeichnete Hassani unter einer Guillotine. Der Influencer Hatoum Night wurde von seiner Agentur auf die Straße gesetzt, als er dazu aufrief, den androgynen Sänger zu töten.

Mehr als sieben Millionen Mal wurde "Roi" bereits angeklickt.
Bilal Hassani

Durchbruch bei The Voice Kids

Mit Österreichs Conchita Wurst verbindet Hassani mehr als nur das weibliche Styling. Wursts Siegertitel Rise Like a Phoenix von 2014 war der Ausgangspunkt für Hassanis Durchbruch: Mit diesem Song eroberte der unscheinbare Teenager 2015 die TV-Sendung The Voice Kids. Schon damals hagelte es gehässige Kommentare. Hassani hat marokkanische Eltern und tritt extravagant auf – mit langem platinblonden Haar, altmodischer Nickelbrille und fingerdicker Schminke. Sein Videoclip zu Roi ist schon mehr als sieben Millionen Mal angeklickt worden. Auf Facebook, Instagram und Twitter kommt er auf mehr als eine Million Anhänger.

Daran gemessen sind seine Gegner nicht sehr zahlreich. Aber überaus aggressiv. Eine Internetgruppe namens Bilal Protectors versucht, ihn nun online zu schützen. Vor Gericht nimmt sich das Komitee Stop Homophobie des Falles an. Diese Woche hat es mehr als 200 Einzelanzeigen gegen Hassani-Gegner eingereicht. Ihnen werden Beleidigung, homophobe Drohungen und Verleitung zum Hass und zu Gewalt vorgeworfen.

Einladung der Regierung

Am Freitag haben die Regierungsvertreter Marlène Schiappa und Mounir Mahjoubi mehrere Anwälte und Unterstützervereine Hassanis empfangen, um ihnen die Solidarität der Behörden im Hinblick auf den Song Contest auszudrücken. Schiappa und Mahjoubi sind die Staatssekretäre für die Gleichstellung der Geschlechter beziehungsweise für Digitalisierung. Mahjoubi, der selbst marokkanischer Herkunft ist und sich Mitte 2018 als homosexuell geoutet hatte, kündigte dabei für dieses Jahr ein Gesetz gegen Onlinebelästigung an.

In diese ohnehin sehr gereizte Polemik mischt sich eine weitere, die mit dem Austragungsort des Gesangswettbewerbs zu tun hat. Hassani wird in Frankreich aufgrund seiner arabischen Wurzeln angehalten, den Song Contest in Tel Aviv zu boykottieren. Eine regionale Sektion der militanten Anti-Aids-Organisation Act Up forderte den französischen Kandidaten auf, nicht nach Israel zu reisen, um auf diese Weise gegen die Diskriminierung "palästinensischer Queers" zu protestieren.

Hassani erteilte ihnen diese Woche eine Absage. Er sei gegen eine Politisierung des Events und könne es nicht erwarten, nach Tel Aviv zu reisen, wo ein "sehr aufregendes Leben" und viel "Sonne" auf ihn warten. Auch sei er ein großer Fan von Netta Barzilai, der israelischen Song-Contest-Siegerin von 2018. Der französische Philosoph Raphaël Enthoven twitterte, nicht in Israel, sondern in Gaza seien Homosexuelle wegen ihres Andersseins in Haft.

Hassani hat also nicht vor, nachzugeben. Aber das hat er in seinem Lied Roi eigentlich schon klargemacht: "Ihr könnt mich nicht verändern. So lasst mich doch abheben – wenn ich träume, bin ich ein König." (Stefan Brändle aus Paris, 2.2.2019)