Ein Bild mit vielen Ebenen: Arnulf Rainer und Maria Lassnig samt einem ihrer eigenen Bilder (1949). Übermalt von Arnulf Rainer.

Foto: ÖNB/Atelier Arnulf Rainer

Linz – Es war ein männlicher Akt, der 1947 in einer Klagenfurter Ausstellung die Gemüter erhitzte. Der Mann liegt auf einer Couch und blickt die Betrachter des Bildes an. Seine Beine sind gespreizt und der Penis mit roter Farbe so in Szenen gesetzt, dass er auf einen gerade stattgefunden habenden Liebesakt schließen lässt. Das sei Pornografie, schrieb ein Journalist, der Maria Lassnig sofort zu größerer Bekanntheit verhalf.

Michael Guttenbrunner, Schriftsteller und damaliger Geliebter von Lassnig, saß Model für das Bild, das damals auch Arnulf Rainer gesehen hat. Er hielt sich zu dieser Zeit in Klagenfurt auf, weil er 1945 von Baden vor den russischen Besatzungssoldaten geflohen war.

Albtraumhafte (Nachkriegs-)Welten

In der Ausstellung Lassnig – Rainer. Das Frühwerk im Lentos steht der Männerakt gleich zu Beginn: Das Werk aus dem Jahr 1946 ist noch von Herbert Boeckl, Lassnigs Akademie-Professor, geprägt. Gleichzeitig zeichneten sich schon damals ihre Körperbewusstseinsbilder ab – die Malerin wollte den "inneren Körperdruck" zeigen und nahm so zentrale Themen der viel späteren feministischen Kunst sowie des Wiener Aktionismus vorweg.

Heuer wäre Maria Lassnig 100 geworden, Rainer wird in diesem Jahr 90, 1948 haben sie sich kennengelernt. Er besuchte sie in ihrem Klagenfurter Atelier, sie sollte ihm bald nach Wien nachfolgen. Ab 1951 reisten sie mehrmals nach Paris. Sie waren an André Breton interessiert und hatten um 1950 Zeichnungen im surrealistischen Stil angefertigt: Im Lentos sieht man einige dieser selten gezeigten Blätter, auf denen sich Gegenstände, Gliedmaßen, Ohren oder Gesichter zu albtraumhaften (Nachkriegs-)Welten verdichten.

Alter Spießer Breton

In Paris kam die Enttäuschung: Breton war in ihren Augen zum alten Spießer geworden, während eine zufällig entdeckte Ausstellung völlig neue Perspektiven aufmachte: Erstmals sahen sie abstrakte Kompositionen von Ripolle, Willem de Kooning, Jackson Pollock u. a. In der Linzer Schau lässt sich schön nachvollziehen, wie sehr diese Begegnung ihre Arbeiten prägten: Das Kleinteilige wich bei beiden bald einer expressiveren Malergeste: In Amorph (1951) schleuderte Lassnig Farbe auf die Leinwand, sie experimentiert mit abstrakten Volumen und teilt Leinwände in Flächen ein. Rainer entwickelte sich in dieser Zeit ebenfalls zu seinen Übermalungen hin.

Das Bild Atomisation (1950/51) ist zwar noch in einer Art Dripping-Technik entstanden, in Zentralisation (1952) führt er aber schon die für seine Übermalungen typischen dynamischen Strichsetzungen ein. Dass einander die Werke in dieser ersten gemeinsamen Schau nicht in die Quere kommen, verdankt sich nicht zuletzt der gelungenen Ausstellungsarchitektur. Nicole Six und Paul Petritsch haben ein offenes und unhierarchisches Display gebaut, sodass man bereits beim Betreten der Ausstellung fast alle Arbeiten auf einen Blick sieht.

Konkurrenzverhältnis

Bedeutend ist das auch deshalb, weil Lassnig zeitlebens nicht mit Rainer ausstellen wollte. Viel zu lange wurde sie als Anhängsel von ihm betrachtet, während er von Otto Mauer gefördert wurde und in der Galerie St. Stephan schon lange vor ihr ausgestellt hat.

Dass ihre Konkurrenz nicht nur hinderlich war, zeigt sich in der Ausstellung auch. Denn sie legt nicht nur schöne Zugänge zu den Hauptwerken der beiden bedeutenden österreichischen Maler. Vermittelt wird auch die Leidenschaft und Intensität, mit der die beiden in der "ästhetischen Wüste der Nachkriegsjahre" (Peter Pakesch) einen avantgardistischen Aufbruch forcierten. (Christa Benzer, 4.2.2019)