Wien – Die Werbeversprechungen der Anbieter von Onlinedating-Plattformen klingen vollmundig. "Bist du bereit fürs Kennenlernen auf dem nächsten Level?", fordert die eine. "Ob im Bus, in der Bar, auf dem Sofa und sogar im Urlaub – über 300 Millionen Nutzer auf der ganzen Welt warten schon darauf, dich kennenzulernen", lockt eine andere. Für 17 Zeuginnen, die im Prozess gegen Jürgen G. vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Peter Sampt aussagen, brachte die digitale Verkuppelung vor allem eines: Schulden.

Staatsanwältin Judith Kneidinger wirft dem 32-Jährigen gewerbsmäßigen schweren Betrug vor. Erfahrung damit hat der vierfache Vater aus Wien-Donaustadt bereits: Seine Strafregisterauskunft weist vier einschlägige Vorstrafen, darunter eine teilbedingte, auf, die jüngste aus dem Sommer 2017. Just zu einer Zeit also, wo er schon wieder eifrig dabei war, im Internet Frauen zu kontaktieren, die er dann ausnahm.

Opfer zwischen 21 und 37 Jahre alt

Seine Opfer waren zwischen 21 und 37 Jahre alt, geeint hat sie eine frappante Leichtgläubigkeit. Denn eine seiner Haupteinnahmequellen war es, den Opfer vorzugaukeln, er könne keinen Handyvertrag mehr auf seinen Namen abschließen. Das sollten doch bitte die Frauen machen, denen er versprach, er werden den Vertrag später auf sich überschreiben lassen und ihnen die bis dahin entstandenen Kosten ersetzen. Stattdessen verkaufte er die Mobiltelefone in einem Shop.

Stieg jemand darauf ein, erfand er Schwester, Cousins, Freunde, die angeblich auch dieses Problem hatten. Sein "Rekord": Eine 37-Jährige schloss neun Verträge für G. ab und gab ihm auch Bargeld – ihr Gesamtschaden liegt bei rund 25.000 Euro. Die höchste Schadenssumme verursachte er bei einer 28 Jahre alten Internetbekanntschaft: Sie besorgte ihm zwar "nur" vier Handys, nahm aber zwei Kredite auf und gab ihm Erspartes – an die 33.000 Euro sind weg. Eine Zeugin verrät, dass sie sich wegen ihrer Ratenzahlung nicht einmal mehr benötigte Medikamente leisten könne.

Seit zehn Jahren spielsüchtig

Verteidiger Andreas Koo kündigt ein Geständnis an. "Er ist krank, leidet an Spiel und Drogensucht", führt der Anwalt als Motiv an, das G. bei seiner Befragung dann näher ausführt. 2009 sei er spielsüchtig geworden, es kamen die ersten Betrügereien, 2016 wurde er bedingt entlassen. "Ich habe eine ambulante Gruppentherapie absolviert, nach drei oder vier Monaten hat die Therapeutin gesagt, ich bin geheilt", erinnert er sich.

War er nicht. Denn "die großen Gedanken, wieder zu spielen", wie er es ausdrückt, wurden immer stärker. Die Vorstellung des Arbeitslosen: "Wenn ich nicht spiele, habe ich am nächsten Tag kein Geld mehr." Ende 2016 wurde er rückfällig: "Ich habe auf Mr. Green und Win2day Blackjack und Roulette gespielt."

Zunächst betrog er seine eigene Familie. Seinem Stiefvater lockte er 80.000 Euro heraus – er erzählte ihm von juristischen Schwierigkeiten beim geplanten Privatkonkurs und fälschte dafür sogar Beschlüsse des Oberlandesgerichts.

"Immenser Druck" von den "Damen"

Dann kamen die "Damen", wie er die Opfer nennt. Anfang 2018 sei von diesen schon "immenser Druck" gekommen, seine Schulden zu begleichen. G.s Reaktion: Er begann, Kokain und Speed zu konsumieren. "Das hat mir die Möglichkeit verschafft, die Gedanken an die Damen zu unterdrücken."

Einen anderen Gedanken gab er nie auf: "Ich habe gedacht, dass ich durch Spielen mit höheren Einsätzen schneller zu mehr Geld komme, was leider nicht möglich war."

Das rechtskräftige Urteil lautet auf dreieinhalb Jahre Haft; ob die offenen Vorstrafen widerrufen werden, müssen die ursprünglichen Gerichte entscheiden. (Michael Möseneder, 4.2.2019)