Der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder sorgt mit einem scharf kritisierten langen Interview im "Spiegel" wieder für Aufregung in den deutschen Medien.

Alles, was er über sein Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, die westliche Außenpolitik und die Mängel der SPD sagt, bestätigt das Urteil der "Frankfurter Rundschau" vom 29. 9. 2017, als Schröder, zusätzlich zu seinen anderen Positionen in der russischen Wirtschaft, den Posten des Aufsichtsratschefs des halbstaatlichen weltgrößten Ölkonzerns Rosneft (280.000 Mitarbeiter) übernommen hat. Er sei vom Russlandversteher zum Russlandvertreter geworden. Bereits vorher wurde er Vorsitzender des Verwaltungsrates der geplanten Pipeline Nord Stream 2 und des Aktionärsausschusses der Nord Stream AG, die für die Ostseepipeline Nord Stream 1 zuständig ist. Angesichts der Empörung über die Höhe seines künftigen Gehalts (600.000 US-Dollar jährlich) hatte dann der Ex-Kanzler auf das Geld verzichtet, nicht aber auf diese Schlüsselposition.

Schröder reagierte beleidigt auf die Kritik, dass er mit seinen Russlandjobs viel Geld verdiene. "Das ist mein Leben, nicht eures", das müsse die Öffentlichkeit begreifen. Doch ein Altkanzler sei kein Privatmann, konterte Peter Huth, der Chefredakteur der "Welt am Sonntag", und Schröder sollte den Titel ablegen. Immerhin müssen die Steuerzahler jährlich 561.000 Euro für das Büro und Personal des Ex-Kanzlers aufbringen. Zusätzlich zu seinen Renten als früherer Bundeskanzler, Ministerpräsident von Niedersachsen und Bundestagsabgeordneter, schätzte das "Manager-Magazin" bereits vor fast zehn Jahren seine jährlichen Einkünfte auf Millionenhöhe.

Peinliche Heuchelei

Es geht aber in Wirklichkeit um viel mehr als die Bereicherung eines in großer Armut aufgewachsenen Spitzenpolitikers. Wie es die deutschen Medien wiederholt betonten, sei seine enge und öffentliche Nähe zu Putins außenpolitischen Positionen eine öffentliche Angelegenheit. Auch in diesem "Spiegel"-Interview vermied er jedes kritische Wort über Putins Russland. Wenn ihm etwas nicht gefalle, dann sage er es ihm, dem Freund, persönlich, nicht öffentlich. Putin möchte "stellvertretend für sein Land mit Respekt und auf Augenhöhe" behandelt werden und nicht von "den Amerikanern" von oben herab als Regionalmacht abgestempelt werden: Wer könnte es glauben, dass allein diese "tiefe Verletzung" durch die "Herabsetzung" (noch von US-Präsident Barack Obama) die aggressiven Handlungen des Kremls in der Ukraine, in Syrien und so weiter bestimmt hätte.

Es dürfte in den Augen vieler deutscher Sozialdemokraten als eine peinliche Heuchelei erscheinen, dass ihr ehemaliger Parteivorsitzender im Fall des von ihm wiederholt als "lupenreinen Demokraten" bezeichneten Putin mauert, bei der SPD jedoch für "klare Ansagen" und gegen "Herumdrucksen" Stellung nimmt. Mit seiner selbstverliebten Arroganz schadet Schröder seiner Partei in ihrem verzweifelten Dreifrontenkampf gegen die CDU/CSU, gegen die Linke und gegen die AfD. Mit seiner pauschalen und überheblichen Kritik an der bedrängten SPD-Führung erweist der Putinfreund der deutschen Sozialdemokratie wieder einmal einen Bärendienst. (Paul Lendvai, 4.2.2019)