Von seinen Anhängern bejubelt und auch von vielen der europäischen Regierung herbeigewünscht: Juan Guaidó.

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"Ich weigere mich, Wahlen auszurufen", hatte der venezolanische Präsident Nicolás Maduro in der Nacht auf Montag in einem TV-Interview noch betont. Er sei der gewählte Staatschef, und die nächste Wahl werde im Jahr 2024 stattfinden, betonte er in der Hauptstadt Caracas.

Damit hatte der von den USA und anderen lateinamerikanischen Staaten wegen Wahlmanipulationen längst nicht mehr anerkannte Maduro klargemacht, dass er ein aus der EU vor acht Tagen aufgestelltes Ultimatum, sofort freie Wahlen auszurufen, ignoriert. Es soll nach dem Wunsch der EU demokratisch die Frage klären, ob er oder sein Gegenspieler Juan Guaidó – der Parlamentspräsident, der sich vor zehn Tagen selber zum interimistischen Staatspräsidenten ausgerufen hatte – das Land führen solle.

Die EU-Außenminister hatten diese von wichtigen EU-Mitgliedstaaten gestellte Forderung an Maduro bei einem Treffen in Bukarest vor dem Wochenende informell bekräftigt. Auf Anregung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini wurde eine "Kontaktgruppe" geschaffen, der die vier großen Mitglieder Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien angehören. Es dauerte am Montag nur wenige Stunden nach der öffentlichen Wahlverweigerung Maduros, bis auf der anderen Seite des Atlantiks ein Reigen der Anerkennung von Guaidó als Interimspräsident einsetzte.

Kanzler Sebastian Kurz war neben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der erste Regierungschef, der öffentlich verkündete, dass Österreich Guaidó als legitimen Vertreter seines Landes betrachte. In kurzer Zeit folgten unter anderem Schweden, Dänemark, Spanien, Großbritannien, Deutschland. Ein gutes Dutzend.

Druck auch aus Berlin

In Berlin erklärte Kanzlerin Angela Merkel nach einem Gespräch mit dem japanischen Ministerpräsidenten, da die Frist für Neuwahlen in Venezuela abgelaufen sei, sei der Oppositionsführer "die Person, mit der wir darüber reden und von der wir erwarten, dass sie einen Wahlprozess möglichst schnell initiiert".

So klar das also auf den ersten Blick bis zu Mittag schien, dass die Europäische Union auf eine starke Haltung setzen würde, so verworren entwickelte sich die Sache dann am Nachmittag: Im Rat der EU wurde an einer Erklärung gebastelt, wonach auch die Europäische Union als Ganzes Juan Guaidó "als Interimspräsident anerkennen werde".

Ein entsprechender Beschluss dazu, der nach den Regeln der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einstimmig erfolgen müsste, konnte zunächst aber nicht gefasst werden: Die italienische Regierung legte ein Veto ein.

So blieb es zunächst dabei, dass acht EU-Staaten als Vorausgruppe die Anerkennung aussprachen – mit der Forderung nach "freien, fairen und demokratischen Wahlen". Russland übte scharfe Kritik daran. Es handle sich um einen Versuch, eine "gesetzeswidrige Machtübernahme zu legitimieren", sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow in Moskau; um eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas.

Auch in Italien kam es zu scharfen Wortgefechten wegen der Blockadehaltung der Regierung von rechter Lega und populistischer Fünf-Sterne-Bewegung. Staatspräsident Sergio Mattarella rügte die Regierung unter Premierminister Giuseppe Conte und forderte "Klarheit": Es dürfe keine Ungewissheit geben "bei der Wahl zwischen dem Willen des Volkes und der Forderung nach authentischer Demokratie". Die Opposition zeigte sich erfreut über diese Ermahnung: Es müsse Schluss sein mit der Diktatur Maduros, erklärte der frühere sozialdemokratische Premier Matteo Renzi auf Twitter.

Appell Richtung Rom

Zum Thema Italien meldete sich dann Guaidó selbst zu Wort: "Die Unterstützung Italiens wäre sehr wichtig. Wir werden alles tun, damit sich Italien den Unterstützern im Rest Europas anschließen kann", ließ er wissen.

Ob sein Appell in Rom gehört wird, scheint fraglich. Alessandro Di Battista, ein prominenter Vertreter der Fünf-Sterne-Bewegung, erklärte, seine Partei werde "niemals jemanden anerkennen, der sich selbst zum Präsidenten ausgerufen habe". Mit Ultimaten und Sanktionen zu drohen "ebnet nur den Weg zu einer militärischen Intervention". Eine solche hatte US-Präsident Donald Trump am Sonntag ins Spiel gebracht. (Thomas Mayer aus Brüssel, 4.2.2019)