SPD-Chefin Andrea Nahles überzeugt nicht alle Genossen.

Foto: APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ

Ein Mann der feinen Klinge war Gerhard Schröder noch nie. Vielmehr ist der deutsche Altkanzler (1998–2005) als Freund klarer Worte in Erinnerung. Doch jene Gedanken, die er sich im aktuellen "Spiegel" über Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles macht, lösten bei vielen Genossen massiven Ärger aus.

Schröder nämlich spricht Nahles schlicht die potenzielle Fähigkeit ab, das Kanzleramt zu führen. Ein Kanzlerkandidat oder eine Kanzlerkandidatin müsse über ökonomische Kenntnisse verfügen, sagt er. Gefragt, ob Nahles diese habe, lautet seine Antwort: "Ich glaube, das würde sie nicht mal von sich selbst behaupten."

Rums! Das saß, zumal Schröder der Parteichefin auch noch "Amateurfehler" vorwarf – Ausdrücke wie "Bätschi" verwende man besser nicht. "Bätschi" hatte die 48-Jährige in einer Parteitagsrede gerufen, als es um die Zusammenarbeit mit der CDU ging.

Schröder und Nahles waren nie beste Freunde, doch offenbar treibt den deutschen Altkanzler auch die Sorge um die Partei um. Bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 hatte sie nur schwache 20,5 Prozent geschafft, in Umfragen klebt sie seit Monaten bei desaströsen 16 Prozent. Bei der EU-Wahl im Mai droht der Absturz, ebenfalls im Mai könnte die SPD in Bremen das Amt des Bürgermeisters verlieren. Dieses stellt sie seit dem Jahr 1945 ununterbrochen.

Comeback-Gerüchte

Doch Schröder wäre nicht Schröder, wenn er nicht auch einen Rat hätte. Man solle wieder mehr auf Ex-Parteichef Sigmar Gabriel setzen. Dieser sei "vielleicht der begabteste Politiker, den wir in der SPD haben", die SPD "könnte von seinen Fähigkeiten nach wie vor profitieren".

Jetzt summt es sehr laut im roten Wespennest. Es gibt seit neuestem nämlich das Gerücht, dass Gabriel ohnehin ein Comeback im Auge habe – und das nicht alleine. Sollten am 26. Mai sowohl die EU-Wahl als auch der Urnengang in Bremen danebengehen, dann wolle er mit einem weiteren Ex-Parteichef – Martin Schulz – an die SPD-Spitze zurück.

So jedenfalls berichtet es die "Bild". Diese schreibt auch, dass die beiden sich mittlerweile ausgesöhnt hätten. Nach der verlorenen Bundestagswahl 2017 hatten sich Gabriel und Schulz ja so zerstritten, dass ihre politischen Karrieren zu Ende waren. Laut "Bild" lautet der Plan so: Gabriel will an die Parteispitze zurück, Schulz an die Fraktionsspitze.

Viele in der SPD halten dies hingegen für reine Fiktion. Andererseits gibt es durchaus Fans des Duos. So erklärt der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius, der auch im SPD-Vorstand ist, der Umgang mit Schulz und Gabriel sei suboptimal gewesen. "Ich finde, wir sollten an derartigen politischen Schwergewichten auch einmal festhalten."

"Mit Hurra in den Untergang"

"Sigmar Gabriel muss selbstverständlich wieder zurück in die erste Reihe", fordert auch der SPD-Wirtschaftsexperte und Bundestagsabgeordnete Florian Post. "Ein stures 'Weiter so', gerade auch personell, wäre ein Festhalten an der Parole 'Mit Hurra in den Untergang'", meint er und versucht unter dem Hashtag #comebacksigmar für Gabriel Stimmung zu machen.

Der Umworbene selbst stichelt auch gegen Nahles, indem er die Pläne des deutschen Arbeitsministers Hubertus Heil (SPD) für eine neue, steuerfinanzierte Grundrente für Bedürftige lobt. Heil hat gerade ein milliardenschweres Konzept vorgelegt. Eine Friseurin, die 40 Jahre auf Mindestlohnbasis gearbeitet habe, bekäme damit statt 514 Euro künftig eine Rente von 961 Euro.

Zwar zeigt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel skeptisch, weil der Arbeitsminister dabei auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichten will. Doch in der SPD wird der Vorstoß von Heil gefeiert, weil er als "Lebenszeichen" der Sozialdemokratie gilt und Wählerinnen und Wähler von Linken wie der AfD zurückholen soll. "Fair, gerecht und überfällig", nennt Gabriel das Vorhaben und twittert über Heil: "Er bringt das Sozialministerium auf Kurs, das noch vor zwei Jahren die Grundrente gemeinsam mit dem Kanzleramt verhindert hatte. Gut so." Sozialministerin vor zwei Jahren war Nahles.

Schröders Schelte für Nahles kommt aber nicht überall gut an. "Glaubt jemand, dass es irgendeinen Nutzen für die eigene Partei hat, wenn sich Politiker aus dem Ruhestand unfreundlich über ihre Amtsnachfolger(innen) äußern?", fragt SPD-Parteivize Ralf Stegner. Und die Replik des Gesundheitsexperten Karl Lauterbach fällt kurz und knapp aus: "Machogehabe pur. Die Zeit ist vorbei für solche Leute." (Birgit Baumann aus Berlin, 5.2.2019)