Stagnierende Bildungsmöglichkeiten in der Vergangenheit sorgten in Afrika südlich der Sahara Jahrzehnte später für einen Stillstand beim Rückgang der Geburtenrate.

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Wien – Die Geburtenrate in vielen afrikanischen Ländern ist nach einem Absinken in den Jahrzehnten davor am Beginn der 2000er-Jahre nicht weiter zurückgegangen. Die Gründe dafür gelten als demografisches Rätsel. Als mögliche Ursachen wurden in bevölkerungswissenschaftlichen Studien bisher die Verlangsamung der sozioökonomischen Entwicklung oder die niedrige Priorität von Familienplanungsprogrammen am Beginn des 21. Jahrhunderts genannt.

Ein Team um Wolfgang Lutz vom Wittgenstein Centre for Demography and Human Capital in Wien bzw. Laxenburg liefert nun auf Basis von Daten aus 18 Ländern südlich der Sahara eine neue Erklärung, die für Kenner der Arbeiten des international renommierten Demografen nicht ganz überraschend kommt. Lutz konnte bisher in zahlreichen Studien zeigen, wie stark der Geburtenrückgang mit dem Bildungsgrad von Frauen im gebärfähigen Alter zusammenhängt. Und genau das dürfte auch die demografische Entwicklung im südlichen Afrika erklären.

Keine Fortschritte bei Bildung und Geburtenrückgang

Für ihre neue Studie im Fachblatt "PNAS" analysierten Lutz und seine Kollegen Datensätze aus Erhebungen mit mehr als zwei Millionen Geburten von 670.000 Frauen der Jahrgänge von 1950 bis 1995. Dabei wählten sie Länder mit und ohne Stillstände beim Geburtenrückgang aus. Resultat: Tatsächlich gab es einen empirischen Zusammenhang zwischen der Stagnation beim Bildungsgrad der in den späten 1970ern und 1980ern geborenen Frauen und dem Stillstand beim Rückgang der Geburtenrate um das Jahr 2000 – also dann, wenn diese Frauen ins typische Gebäralter kamen.

Weniger sicher sei allerdings, welche konkreten Maßnahmen für diese Entwicklung verantwortlich sind. Die Forscher haben Einschnitte im Sozialsektor und ins Schulwesen durch Austeritätsprogramme von Weltbank und IWF im Verdacht. Doch es könnte auch sein, dass die Austeritätsprogramme erst als Reaktion auf wirtschaftliche Turbulenzen implementiert worden seien. Es sei daher unklar, ob bereits diese ökonomischen Schwierigkeiten oder die Reaktion darauf zur Verlangsamung der Verbesserungen im Bildungswesen geführt hätte. (red)