Entsprechend gelagert hält analoger Film lange. Dennoch ist eine hybride Lösung mit Digitalisierung anzustreben.

Foto: Heribert CORN

Geht es um die Bewahrung des kulturellen Erbes, ist vom Film beziehungsweise von den audiovisuellen Medien hierzulande selten die Rede. Dabei bezweifelt niemand, dass die Laufbilder eine wichtige Kunstform des 20. und 21. Jahrhunderts darstellen. Und als historische Dokumente sind Filmaufnahmen, ob auf analogem Film oder in seinen Nachfolgemedien hergestellt, ein Schlüssel zum Verständnis der modernen Welt. Die sogenannte Film-Literacy, die Befähigung, visuelle Medien als ein Amalgam aus Realitätsabdruck und ästhetischer Gestaltung "lesen" zu können, gehört zweifelsfrei zur demokratischen Grundbildung, um die immer komplexer werdenden audiovisuellen Welten des Internets und der (sozialen) Medien kritisch navigieren zu können.

Kein Schreckgespenst

Ich bin also ganz bei Dirk Alt, wenn er im Kommentar der anderen (siehe "Das digitale Dilemma", )davor warnt, die Langzeitsicherung einer Vielfalt von auf Zelluloid aufbewahrten Filmdokumenten zugunsten der leichter vermarktbaren Digitalisierung einer beschränkten Zahl von "Meisterwerken" zu vernachlässigen. Auch ist es wichtig, Film als Kulturtechnik – und dazu gehören auch seine physische Materialität sowie das Know-how und die Technik, um damit umzugehen – zu erhalten. Dahingehend war die Initiative von Thomas Drozda 2017, eine Art Fachwerkstatt für analoge Filmtechnik und Konservierung einzurichten, ein bemerkenswerter Schritt. Von dieser – mit dem unglücklichen Anglizismus "Film Preservation Center" bedachten – Einrichtung ist auch im aktuell von Minister Gernot Blümel verantworteten Kulturprogramm die Rede. Passiert ist allerdings seit fast zwei Jahren gar nichts.

Dabei gäbe es rund um das Schlagwort Film-Preservation -die Langzeitsicherung von filmischem Kulturgut – viel zu diskutieren. Denn ganz so einfach wie Dirk Alt es, zweifellos mit Blick auf die und in Richtung der deutschen Filmszene, argumentiert, ist es nicht. Es ist unbestritten, dass die Sicherung von Filmwerken auf modernem analogem Filmnegativ eine langlebige und katastrophensichere Lösung darstellt. Bei entsprechenden Lagerbedingungen (gleichbleibend kühl und trocken) kann man mit hunderten Jahren rechnen im Unterschied zu den gängigen digitalen Dateiformaten und Speichermedien, deren Lebenserwartung selten mehr als sieben bis zehn Jahre beträgt.

"Hybride" Lösung

Dieses "digitale Dilemma", dass die digitale "Sicherung" nicht endgültig ist, sondern vielmehr ständige Datenpflege bedeutet, existiert, ist aber längst nicht mehr das Schreckgespenst, das es vor zehn Jahren war. Es gibt weltweit erfolgreiche Initiativen, quelloffene Dateiformate und Datenträger einzuführen, die nichtprofitorientierten Archiven und Museen erlauben, digital erzeugte Werke wie auch Scans von analogen Filmen langfristig verfügbar zu halten. Es ist meines Erachtens unabdingbar, auch hierzulande eine "hybride" Lösung anzustreben: analoges Know-how aus konservatorischen Überlegungen und angesichts einer starken künstlerischen Filmszene zu bewahren und parallel dazu in den Aufbau einer auf offenen Standards basierenden digitalen Langzeitsicherung zu investieren. Alles andere ist falsche Orthodoxie: Und angesichts von Kosten von bis zu 40.000 Euro pro Film wird man niemals auch nur einen Bruchteil der analogen Filmdokumente sowie der Dutzenden von der öffentlichen Hand jährlich geförderten und digital hergestellten künstlerischen Filme auf Analogfilm rückbelichten können. Und soll man digital hergestellte Werke überhaupt "analogisieren"?

Eine spannende Debatte, von der wir weit entfernt sind, denn wir sind in Österreich mit einem Worst-Case-Szenario konfrontiert. Produzenten wie Filmschaffende sind bestürzt ob des schleichenden Verlusts der hierzulande aufbewahrten, aber längst nicht gesicherten und kaum zugänglichen Filmgeschichte. Filmarchiv und Filmmuseum müssen Jahr für Jahr auf Basis von Projektanträgen selbst um ihre vergleichsweise bescheidene Basisabgeltung neu ansuchen, was "große Ideen" und Visionen hemmt. Der politische Wille, selbst jener zur wohlinformierten Auseinandersetzung mit den Fachleuten, scheint derzeit weitgehend zu fehlen.

Politischer Wille

Dessen bedarf es aber, denn egal was es werden soll – analog, digital, idealerweise das Beste von beidem -, es wird mehr Geld kosten. Ich beneide die deutschen Kollegen um den Luxus, eine von der Bundesregierung in Millionenhöhe unterfütterte und hoffentlich produktive Debatte um den bestmöglichen und nachhaltigsten Weg der Filmbewahrung führen zu können. In Österreich geraten wir gerade zum Schlusslicht Europas, wenn es um die Ausgaben und Rahmenbedingungen dafür geht. Mit Verlust ist in jedem Fall zu rechnen: nicht wie anderswo aufgrund von Naturkatastrophen oder kriegerischer Auseinandersetzung, sondern aufgrund von Gleichgültigkeit. (Michael Loebenstein, 5.2.2019)