Weiblicher Taï-Schimpanse beim Knacken von Panda-Nüssen mit Hilfe eines Steinhammers. Als Amboss dient eine Wurzel.

Foto: Christophe Boesch

Eine Mbendjele-Frau, die Panda-Nüsse mit einem hölzernen Hammer und einem Buschmesser als Amboss knackt.

Foto: Christophe Boesch

Gibt es grundsätzliche Unterschiede zwischen menschlichem und tierischem Werkzeuggebrauch? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage wurde bisher eingeschränkt durch die Schwierigkeit, verschiedene Arten in ihrem natürlichen Umfeld miteinander zu vergleichen. Ein internationales Forschungsteam stellte nun Menschen und Schimpansen einander gegenüber, die bei der Nahrungssuche im afrikanischen Regenwald die gleiche Nussart zu knacken erlernten, und kam zu interessanten Schlussfolgerungen.

Frühere Studien, die den Werkzeuggebrauch des Menschen mit dem anderer Tierarten verglichen haben, untersuchten die Tiere meist unter künstlichen Bedingungen und außerhalb ihres natürlichen Lebensraums. Solche Vergleiche könnten die Tiere jedoch benachteiligen und dazu führen, dass die technologischen Fähigkeiten von Wildtierpopulationen unterschätzt werden. In einem ersten Vergleich zwischen Individuen zweier Gruppen von Menschen und Schimpansen, die Nüsse auf natürliche Weise in ihrem Lebensraum knacken, konnte nun untersucht werden, wie schnell und in welchem Umfang Lernende beider Arten die Technik erwerben.

Schimpansen und Menschen beim Nüsseknacken

Dazu verglichen die Wissenschafter vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und vom University College London die für ihr Nüsseknacken bekannten Taï-Schimpansen von der Elfenbeinküste mit den Mbendjele BaYaka, die in den Wäldern der Republik Kongo gewöhnlich die gleiche Nussart, Panda oleosa, knacken. Sie folgten darüber hinaus Gruppen von Mbendjele-Frauen, die im Wald nach Nahrung suchten, und wendeten dieselben Effizienzmessungen an wie zuvor bei den Taï-Schimpansen, um festzustellen, wie beide Arten sich die Technik im Wald aneignen.

Bereits in einer 2017 veröffentlichten Studie haben die Wissenschafter die Nussknackeffizienz der erwachsenen Weibchen beider Arten miteinander verglichen und entdeckten überraschende Ähnlichkeiten hinsichtlich der Leistung beider Populationen, obwohl sie unterschiedliche Werkzeuge verwenden. Die Menschen benutzen Metallhämmer mit scharfen Schneiden, während die Schimpansen Steinhämmer verwenden.

Ähnliche "Ausbildung"

In der aktuellen im Fachjournal "Scientific Reports" präsentierten Studie lernten die "Auszubildenden" beider Arten die Technik langsam, wobei ähnliche Fehler aufgetreten sind, wie zum Bespiel: den Amboss direkt mit der Nuss zu treffen oder die Nuss auf den Boden – anstatt auf den Amboss – zu legen. Darüber hinaus benötigen die Mensche wie auch die Affen Jahre der Übung, um Experten zu werden.

"Diese Studie ist die erste, bei der wir Menschen und Schimpansen miteinander vergleichen, die dieselbe Nussknacktechnik im Wald anwenden", sagt Christophe Boesch, Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und Hauptautor der Studie. "Dadurch stellen wir sicher, dass beide Arten über das gleiche Erfahrungsniveau beim Handhaben der Werkzeuge und der Nüsse verfügen und auch die Möglichkeit haben, Experten bei der Arbeit zu beobachten. Bei beiden Arten ist der Wissenstransfer der Schlüssel zum Erwerb technischer Fähigkeiten."

Schimpansen lernen schneller als Menschen

Selbst nachdem die Forscher die Ergebnisse korrigiert hatten, um Unterschiede im Reifungsprozess beider Arten zu berücksichtigen, erlernten Schimpansen die Technik verhältnismäßig schneller als Menschen und erreichten auch früher als diese die Effizienz eines Erwachsenen. "Natürlich meistern die Mbendjele in Kongos Regenwald täglich sehr viel komplexere technische Herausforderungen, aber es ist dennoch interessant zu sehen, dass im Falle des Nüsseknackens Schimpansen die technischen Fähigkeiten schneller erwerben als Menschen. Nüsse sind bei Schimpansen über viele Monate im Jahr hinweg ein wichtiger Bestandteil ihrer Ernährung, während sie für den Menschen eine geringere Rolle spielen. So könnten bestimmte Umweltbedingungen durch selektiven Druck den Erwerb überlebenswichtiger Fähigkeiten fördern", erklärt Boesch.

Darüber hinaus beobachteten die Wissenschafter bei beiden Arten eine regelmäßige Weitergabe von Wissen von Experten an "Auszubildende", die die Technik gerade erlernten – obwohl bisher häufig angenommen wurde, nur Menschen würden andere unterrichten. Das Nussknacken ist eine relativ komplexe Technik, bei der drei verschiedene Objekte verwendet werden: die Nuss, der Amboss und der Hammer. Diese Objekte werden auf eine ganz bestimmte Weise angeordnet und verwendet, um die Nüsse zu öffnen, ohne ihren Inhalt zu zerschlagen. Die Häufigkeit der Lehrinteraktionen, die die Forschenden bei beiden Arten beobachtet haben, verdeutlicht, dass Unterricht den Erwerb einer Fähigkeit erleichtert und zum Erwerb komplexerer Fertigkeiten bei beiden Arten häufiger zur Anwendung kommt.

Überraschende Ergebnisse

Die relativ ähnliche Häufigkeit von Lehrinteraktionen bei beiden Arten und der verhältnismäßig schnellere Erwerb von Nussknack-Expertise bei Schimpansen sind überraschend, wenn man annimmt, dass Menschen Tieren beim Werkzeuggebrauch im Allgemeinen überlegen sind. Die Wissenschafter betonen, dass sich sowohl Schimpansen als auch Menschen an die Herausforderungen anpassen müssen, mit denen sie täglich in ihrer Umwelt konfrontiert werden. Je mehr sich diese ähneln, umso ähnlicher entwickeln sich möglicherweise auch die Lösungsansätze und kognitiven Fähigkeiten beider Arten. (red, 11.2.2019)