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Labour-Chef Jeremy Corbyn hat Premierministerin Theresa May einen Brief geschrieben.

Foto: AP / Joe Giddens

London – Labour-Chef Jeremy Corbyn hat der britischen Premierministerin Theresa May in einem Brief die Hilfe seiner Labour-Partei angeboten, einen Brexit-Deal mit der EU durch das britischen Unterhaus zu bringen. Der Chef der Sozialdemokraten setzt dabei auf einen wesentlich "weicheren" Brexit als jenen, den der bisherige Plan Mays vorsieht.

Allerdings bleibt Corbyn in dem Schreiben dabei, dass seiner Meinung nach der 2016 via nicht bindender Volksabstimmung beschlossene Ausstieg aus der EU vollzogen werden solle – er stellt sich damit gegen viele in der eigenen Partei, die gehofft hatten, der Chef werde sich dazu entschließen, ein zweites Referendum über den Brexit zu fordern.

Corbyns Schreiben an May

Konkret verlangt Corbyn in dem Schreiben an May eine Zollunion mit der EU und Zusammenarbeit in Fragen der Sicherheit und Justiz mit Brüssel. Insgesamt will er fünf Punkte umgesetzt wissen:

  • Eine "permanente und umfassende" Zollunion mit der Europäischen Union. Diese solle gemeinsame Außenzölle beinhalten und ein Mitspracherecht der Briten bei künftigen Handelsgesprächen. "Wie Sie wissen, bevorzugt die große Mehrheit der Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften eine Zollunion", schreibt Corbyn.
  • Eine "enge Angleichung" – mit gemeinsamen Institutionen und Verpflichtungen – an den europäischen Binnenmarkt. Zudem solle man sich mit Brüssel auf verbindliche Wege zur Konfliktbereinigung in diesen Fragen einigen.
  • Eine "dynamische Angleichung" an Rechte und Schutzmaßnahmen der EU. Großbritannien solle die Standards der Union als Mindestmaß nehmen und nicht versuchen, diese zu unterbieten.
  • Beteiligung an Finanzierungsprogrammen und Agenturen der EU, etwa bei Umweltfragen, Ausbildung, Industriestandards.
  • "Unmissverständliche" Vereinbarungen zur Zukunft von Sicherheitsvereinbarungen. London müsse sich am europäischen Haftbefehl beteiligen und an gemeinsamen Datenbanken teilnehmen.

Der Plan Corbyns impliziert auch eine Verschiebung des Austrittstermins. Der Chef der Sozialdemokraten spricht diese zwar nicht konkret an, so wie viele Parteigenossen das wollen – es ist aber nahezu ausgeschlossen, dass die Fülle der von Corbyn aufgestellten Forderungen bis zum geplanten Austrittstermin am 29. März ausverhandelt und beschlossen werden könnten.

Zustimmung unwahrscheinlich

Ohnehin ist es wenig wahrscheinlich, dass May auf das Angebot ihres Konkurrenten eingehen wird. Zwar scheint es denkbar, dass sich in ihrer Partei Zustimmung zu den genannten Punkten finden ließe – ob es sie in ausreichendem Maße geben würde, ist aber unsicher. Zudem war May bisher darum bemüht, ihre konservative Partei zusammenzuhalten – das wäre unter diesen Bedingungen kaum noch möglich.

Und schließlich ist auch nicht sicher, ob Corbyn für seine Vorschläge ausreichend eigene Labour-Abgeordnete gewinnen könnte. Viele der sozialdemokratischen Mandatarinnen und Mandatare würden schließlich eine weiteres Referendum oder überhaupt den Verbleib in der EU einem – auch gut geregelten – Brexit vorziehen. Corbyn hingegen wird nachgesagt, insgeheim einen Austritt aus der EU zu bevorzugen. (mesc, 7.2.2019)