2018 widmeten sich nicht wenige frauenpolitische und feministische Einrichtungen und Initiativen sowie staatliche Organisationen hierzulande mit Veranstaltungen und Broschüren dem 100. Jahrestag seiner Einführung und rühmten dabei nicht selten Österreichs fortschrittliche Rolle, da es als eines der ersten Länder in Europa das Frauenwahlrecht eingeführt hatte. So heißt es zum Beispiel in der Broschüre der niederösterreichischen Landesregierung, die in ähnlicher Form auch in anderen Bundesländern anlässlich "100 Jahre Frauenwahlrecht" veröffentlicht wurde: "Österreich zählt zu den ersten Ländern, die das Wahlrecht für Frauen eingeführt haben, damals im Zuge der Gründung der Ersten Republik vor 100 Jahren." Ein solches Jubiläum könnte auch den Anlass bieten, einen Blick auf die fortdauernde Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen in diesem Zusammenhang zu werfen oder beispielsweise der Frage nachzugehen, ob Frauen inzwischen überall auf der Welt uneingeschränkt wählen können beziehungsweise wo Frauen nach wie vor von diesem Recht ausgeschlossen werden. Dennoch blieben die meisten Veröffentlichungen zur Thematik beim Jubel darüber stehen, was bereits für Frauen erreicht wurde, und sparen Fragen nach Kontinuitäten oder Strategien zur Bekämpfung mangelnder Gleichstellung meist aus.

Erkämpftes Frauenwahlrecht

Die fehlende Beschäftigung mit dem weltweiten Frauenwahlrecht mag unter anderem auch darauf zurückzuführen sein, dass sich entsprechende Gesetzgebungen in den letzten Jahren rasch verändert haben und nur sehr spärliche Informationen medial kolportiert werden. Wenn überhaupt, so ist nicht selten von einigen wenigen Ländern die Rede, wo Frauen nach wie vor vom Frauenwahlrecht ausgeschlossen seien. Entsprechend heißt es beispielsweise in einer Plakatausstellung der IG Metall zum Thema "100 Jahre Frauenwahlrecht" in Deutschland, wo das Frauenwahlrecht ebenfalls 1918 eingeführt wurde: "Ein Wahlrecht für alle gibt es bis heute nicht überall: In den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie in Brunei Darussalam dürfen bis heute weder Frauen noch Männer wählen." Auch die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg schreibt anlässlich des 100. Jahrestags: "Auch heute noch gibt es Länder, in denen das Frauenwahlrecht erschwert oder vorenthalten wird: dazu gehören Bhutan, Brunei und Saudi-Arabien." Im Zuge einer Besprechung des Films "Die göttliche Ordnung" (2017) über die Einführung des Frauenwahlrechts in der Schweiz erwähnt die deutsche Wochenzeitung "Der Freitag": "Ausnahmen sind das Sultanat Brunei, das Königreich Bhutan und der Staat der Vatikanstadt, wo ausschließlich männliche Kardinäle den Papst wählen." Diese Details sind jedoch nur teilweise korrekt.

2015 durften in Saudi-Arabien zum ersten Mal Frauen wählen.
Foto: APA/AFP

Kein weltweites Recht

Anders als immer wieder kolportiert, wurde das Frauenwahlrecht in Bhutan inzwischen eingeführt. Nachdem politische Parteien aufgrund eines Verbots erst 2007 zu Parlamentswahlen zugelassen wurden, konnte in Bhutan nach über hundert Jahren Monarchie erst ab diesem Zeitpunkt eine parlamentarische Demokratie etabliert werden. Die ersten Wahlen mit universellem Wahlrecht für Männer und Frauen über 18 fanden 2008 statt. In Brunei wiederum gibt es zwar ein Parlament, jedoch haben seit 1962 keine Wahlen mehr stattgefunden, nachdem im selben Jahr die linke Brunei-Volkspartei zehn gewählte Sitze im 21-köpfigen Legislativ-Rat gewann und den Sultan seiner Macht entheben wollte. Dieser ließ daraufhin die Wahlergebnisse annullieren, erklärte den Ausnahmezustand und regiert seitdem per Dekret. Aktuell hat der Sultan sowohl die Ämter des Premier- als auch des Finanz- und Verteidigungsministers inne.

Auch in Bezug auf den Libanon heißt es in der bereits erwähnten Ausstellung der IG Metall, dass "Frauen noch heute die Grundschule abgeschlossen haben" müssten, "um wählen zu dürfen. Für Männer gilt diese Einschränkung nicht." Dem Datenhandbuch "Elections in Asia and the Pacific" hingegen ist zu entnehmen, dass diese Beschränkung bereits 1957, also fünf Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts 1952, "silently", also still, aufgehoben wurde. Weitere Länder, die in diesem Zusammenhang gerne erwähnt werden, sind Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien. Tatsächlich können Frauen in Kuwait auch erst seit 2005 (wieder) wählen, das Frauenwahlrecht war eigentlich bereits 1985 eingeführt, jedoch 1999 wieder aufgehoben worden. Auch in Afghanistan wurde das Frauenwahlrecht 1919 erstmals eingeführt, 1929 wieder abgeschafft und 1964 abermals umgesetzt, jedoch von den Taliban zwischen 1996 und 2001 erneut aufgehoben. Erst in der neuen Verfassung von 2004 erhielten Frauen das Wahlrecht wieder. In den Vereinigten Arabischen Emiraten wiederum durften Frauen 2006 zum ersten Mal, in Saudi-Arabien 2015 erstmals bei Kommunalwahlen ihre Stimme abgeben. Kein Frauenwahlrecht gibt es nach wie vor in der bereits erwähnten Vatikanstadt, wo ausschließlich Kardinäle, die jünger als 80 Jahre alt sind, wählen dürfen und nachdem der Beruf ausschließlich für Männer vorgesehen ist, sind Frauen davon ausgeschlossen. Wählen dürfen die Kardinäle im Übrigen ohnehin nur den Papst.

Frauenbewegungen in ganz Europa, wie die Sufragetten, konnten das Frauenwahlrecht durchsetzen.
Foto: APA/AFP/OLI SCARFF

Wahlrecht immer wieder Diskussion

Trotz vieler verbreiteter Falschinformationen gehört es zu den bitteren frauen- aber auch demokratiepolitischen Skandalen unserer Zeit, dass Frauen (und auch Männer) nach wie vor nicht überall auf der Welt an Wahlen teilnehmen dürfen. Gerade die Beispiele von Kuwait oder auch Afghanistan zeigen zudem, dass es sich bei diesem Recht in manchen Ländern um ein prekäres handelt, dass durch den Wechsel politischer Machthaber immer wieder erneut zur Diskussion stehen kann und auch die Gefahr, dass Frauen von diesem Recht wieder ausgeschlossen werden, nicht endgültig beseitigt wurde. (Judith Goetz, 1.3.2019)

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