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In Hongkong sind seit einigen Jahren sogenannte "Moskito-Wohnungen" bei Bauträgern populär. Diese winzigen Wohnungen haben meist kaum mehr als 20 Quadratmeter, kosten aber umgerechnet etwa eine halbe Million Euro.

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Der österreichische Anbieter LibertydotHome will mit 6,4 Quadratmeter großen Häuschen Menschen in Not helfen, bekommt aber auch immer wieder Anfragen von Besserverdienern.

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Das Bett wird abends aus-, die Küche eingeklappt. Und weil es keinen Platz für eine Duschkabine gibt, befindet sich der Duschkopf über der Toilette.

Im dicht besiedelten Hongkong verschärft sich die Wohnungsnot. Mit Multifunktionsmöbeln ausgestattete Miniapartments von den Ausmaßen einer Gefängniszelle haben Hochkonjunktur – zu exorbitanten Preisen.

Der Boom bei Mikroapartments zeigt Parallelen zur Entwicklung in den USA und anderen Industriestaaten, wo winzige Wohnungen ebenfalls im Trend liegen. Wird Wohnraum knapper, müssen die eigenen vier Wände schrumpfen, um leistbar zu bleiben – so die Logik des Marktes. Auch in Wien gibt es bereits Mikroapartments. Sie richten sich jedoch vorrangig an Geschäftsreisende, die nur vorübergehend in der Stadt wohnen.

Durchdachte Möblierung, großzügige Raumhöhen

Aber werden wir in Zukunft alle so leben? "Man wird sich dem Thema ,Wohnen auf kleinem Raum' stellen müssen", sagt die Architektin und Stadtplanerin Sabine Pollak. Mit Balkonen, durchdachter Möblierung und großzügigen Raumhöhen könne das durchaus Qualität bieten. Konventionelle Grundrisse einfach nur zu schrumpfen würde aber nicht funktionieren.

"Das allein führt in eine Sackgasse", sagt auch Alexander Hagner vom Wiener Architekturbüro gaupenraub+/-. Der geringere Platz müsse durch Benefits für die Bewohner ausgeglichen werden. Die sogenannte Sharing Economy befördert diese Entwicklung: Die Bewohner der Mikroapartments können auf Gemeinschaftsflächen wie geteilte Großküchen oder ein Schwimmbad auf dem Dach ausweichen.

Bedürfnis nach sozialen Kontakten

Hagner ist überzeugt davon, dass dem kollaborativen Wohnen die Zukunft gehört. Statt im Kreise der Großfamilie leben künftig immer mehr Menschen alleine. Dadurch wächst das Bedürfnis nach sozialen Kontakten. Hagner sieht die Zeit für "grundhybride Wohnmodelle" gekommen – also Häuser mit durchmischter Bewohnerstruktur, wo auch Co-Working-Büros und geteilte Werkstätten Platz finden werden. "Das führt zu einem gelebten Miteinander", sagt Hagner. "Aber nicht als Zwang, sondern als Option."

Jakob Dunkl vom Architekturbüro Querkraft hat eine ähnliche Vision: "Vielleicht werden wir irgendwann ja sagen: 'Früher haben wir mit unserer Familie in einer 100 Quadratmeter großen Wohnung gewohnt – und jetzt haben wir's so viel schöner.'" In seinen Wohnbauten der Zukunft leben unterschiedlichste Nutzer vom Single bis zur Patchworkfamilie zusammen. Die Individualräume seien klein und die Ausstattung auf ein Mindestmaß beschränkt. Dafür gebe es Spa- oder Tischtennisräume, wohnzimmerartige Salons und Co-Working-Bereiche. "Träume auslagern", nennt es der Architekt. Voraussetzung dafür sei ein gutes Wohnmanagement. Denn zu Abstellräumen degradierte Gemeinschaftsräume gäbe es ja schon heute.

Gabalier und Cabin Spacey

Dass man nicht nur Wohnungen, sondern ganze Einfamilienhäuser redimensionieren kann, zeigt die Tiny-House-Bewegung. Auch in Österreich gibt es erste Anbieter, die sogar manchmal prominente Investoren wie den "Volks-Rock-'n'-Roller" Andreas Gabalier anziehen. Er ist Eigentümer der Microloft GmbH.

"Wir merken ein steigendes Interesse von Leuten, die darin ganzjährig wohnen wollen", heißt es beim Start-up Green Up GmbH, das das Tiny House "Nimme" im Angebot hat. Auch LibertydotHome, das mit 6,4 Quadratmeter großen Häuschen Menschen in Not helfen will, verzeichnet vermehrt Anfragen von keineswegs in prekären Verhältnissen lebenden Menschen. Hinter dem Interesse stehen oft der Wunsch nach Reduktion und die Sehnsucht nach Unabhängigkeit. Billig ist die Wohnform aber nicht. Und auch nicht urban, kritisiert Stadtplanerin Pollak: "Es kann ja nicht sein, dass sich jeder eine kleine Hütte aufstellt."

Der Berliner Anbieter Cabin Spacey hat sich deshalb ein Konzept für die Nachverdichtung von Städten überlegt: Es will kleine Hütten auf ungenutzte Dächer stellen. Seit einem halben Jahr steht ein 25 Quadratmeter großer Prototyp, allerdings zu ebener Erde, in Berlin-Tempelhof. Im Frühjahr sollen die ersten Kabinen bezogen werden, auch in Österreich.

Einfamilienhaus gilt als Wohnideal

Das Wohnen auf kleinem Raum fasziniert nicht nur, es polarisiert auch. "Aus psychologischer Sicht ist das keine erstrebenswerte Wohnform", sagt die Architekturpsychologin Christina Kelz. Zwar werde oft mit Wohnkosten und Nachhaltigkeit argumentiert, doch der Mensch mit seinen Ansprüchen ans Wohnen trete dabei in den Hintergrund. Noch dazu, weil das Einfamilienhaus hierzulande immer noch als Wohnideal gilt. "Eine kleinere Wohnfläche wird mit einem schlechteren sozioökonomischen Status gleichgesetzt", sagt Kelz.

"Tiny Houses stellen jede Konvention infrage", erklärt man sich bei Cabin Spacey die polarisierende Wirkung der Wohnform. Diese fordere einem viel ab. "Trotzdem gibt es etliche, die damit glücklich sind." Die Reduktion ist dabei aber die große Herausforderung: "Wir bekommen viele unrealistische Anfragen", sagt Andreas Varga von Agrav, einem Hersteller von Wohncontainern: "Die Menschen wollen ein Tiny House – das aber bitte auf 150 Quadratmetern."

Auch die Statistik zeigt, dass die Entwicklung hierzulande – noch – in eine andere Richtung geht: Die Pro-Kopf-Wohnfläche ist in den letzten Jahren gewachsen und lag 2017 bei 44,8 Quadratmetern. Zum Tiny Living ist es also noch ein (kleiner) Weg. (Franziska Zoidl, 9.2.2019)