Wenn sich die nach Eishockey verrückten Schweden für den Skisport interessieren, dann in erster Linie für die Technikbewerbe. Die schnellen Disziplinen haben ein Imageproblem.

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Ex-Skicrosser Eliasson Winter setzt auf die Forschung, Hilfe der Legenden und Vorbilder wie Alex Köll.

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Felix Monsen vertrat Schweden im WM-Super-G und das nicht einmal schlecht.

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Der Abfahrtsrennsport in Schweden fristet ein sehr bescheidenes Dasein. "Der Speedbereich ist kulturell bedingt nicht existent", sagt Tommy Eliasson Winter (38), der vor drei Jahren auf den Plan getreten ist, dies zu ändern. Der Alpinchef des schwedischen Skiverbands arbeitet mit seiner Crew unermüdlich an der Etablierung eines schlagkräftigen Speedteams und weiß, wo anzusetzen ist. Denn nicht zuletzt seit dem Unfall von Ingemar Stenmark bei einem Abfahrtstraining 1979 in Schnalstal herrsche daheim die Meinung vor, dass Abfahrten zu gefährlich seien. "Wir mussten ganz unten anfangen, eine Basis schaffen."

Schwingen wie Roboter

Der Nachwuchs sei lange nur am Slalom interessiert gewesen. "Sie wollten nur wie Roboter von links nach rechts schwingen, immer dasselbe." Für umfassend ausgebildete Skifahrer brauche es aber mehr, und Eliasson Winter glaubt, die Jugend auch dafür begeistern zu können. "Unser Ziel ist eine breitere Basis, wir wollen die Athleten über eine längere Periode trainieren, sodass wir uns über sportliche Erfolge in den Fis-Ranglisten nach vorn bewegen können." Auch kommerziell mache es Sinn, an allen Disziplinen teilzunehmen.

Die Entwicklung des Speedteams gehe Hand in Hand mit der Forschung. "Wenn wir weiterkommen wollen, dann müssen wir in verschiedenen Bereichen investieren, um in verschiedene Märkte vorzudringen. Der Rennsport wird zunehmend digital, die Sensortechnik gewinnt an Bedeutung. Wir befassen uns viel mit Innovationen und dem Tech-Business." Um die Vorhaben entsprechend umsetzen zu können, soll nach der WM aus dem Gebäude hinter dem Zielstadion in Åre ein Forschungszentrum entstehen.

Es ist schon wieder zig Jahre her, dass Anja Pärson, Pernilla Wiberg, Hans Olsson oder Patrik Järbyn für Furore gesorgt oder kräftig mitgemischt haben. "Sie waren unglaubliche Rennläufer, aber hinter ihren Erfolgen in den schnellen Disziplinen gab es keine nationale Struktur, das haben sie sich alles selbst erarbeitet", sagt Eliasson Winter. Aber man könne von ihren unterschiedlichen Erfahrungen profitieren. Pärson engagiere sich wie Järbyn mit Camps um den Nachwuchs. Olsson unterstütze in organisatorischen Angelegenheiten, ebenso Kajsa Kling, die sich um das Frauenteam kümmert.

Erfolge sind an den Ergebnissen abzulesen. Im Super-G klassierte sich Felix Monsen vom Skiklub Åre nur fünf Hundertstel hinter Beat Feuz an 19. Stelle, er lag nur 1,05 Sekunden hinter Sieger Dominik Paris und unmittelbar vor Alexander Köll. Der Sohn eines Osttirolers und einer Schwedin aus dem von Åre mehr als 1000 Kilometer entfernten Landskrona geht seit fünf Jahren für das Team Sverige an den Start und hat erst zuletzt bei der Abfahrt auf der Streif einen schweren Sturz mit Prellungen glimpflich überstanden.

Osttiroler als Vorbild

Der 28-Jährige spiele eine wichtige Rolle, nicht nur als ein sehr guter Skifahrer, sondern auch als Persönlichkeit. "Er ist ein leidenschaftlicher Abfahrer, er ist immer bereit, bis zum Letzten zu pushen und den Jüngeren zu helfen. Er ist ein Leader für das Speedteam. Wir haben ein solches Vorbild sehr vermisst." Wichtiger als die erfreulichen Ergebnisse sei, "dass wir erstmals ein Team haben. Dieses Signal ist wertvoll. Es soll die Menschen in Schweden inspirieren, mehr Ski zu fahren."

Die Motivation für das Unternehmen hat für Eliasson Winter und sein Team altruistische und kommerzielle Gründe. "Mein Hauptziel ist, Skifahrer auszubilden und dem System einen Ruck zu geben, damit wir mit unserem Vorhaben auffallen und vorankommen können." Noch hinken die Speedbewerbe in Schweden, die sich mangels Pisten allein auf den WM-Ort konzentrieren, in der Popularität weit hinterher. "Das internationale Interesse konzentriert sich hier in Åre mehr auf diese Woche, das nationale Interesse richtet sich fast ausschließlich auf die zweite, wenn die Technikbewerbe anstehen." Die WM sei für Schweden ein wichtiger Motor für die Zukunft und ein Ereignis.

Lehrreiche Zeit

Eliasson Winter studierte Sport- und Finanzwissenschaften, für Abschlüsse mangelte es ihm allerdings an Zeit. Er war ein paar Jahre auf Fis-Ebene aktiv, allerdings nicht sonderlich erfolgreich. Bandscheibenprobleme ließen ihn nicht in erforderlichem Maße trainieren und so beschloss er mit 22 Jahren, von der herkömmlichen Skifahrt auf Skicross umzusatteln. "Weil es neu war." Er bekam einen Profivertrag (2002 bis 2010). "Das hat Spaß gemacht, war sehr lehrreich. Aus der nationalen Klubstruktur in eine professionelle Umgebung zu wechseln, wo man liefern musste. Sonst war man draußen. Ich musste auf unangenehmste Weise lernen, wie der Markt funktioniert."

Bei Olympia in Vancouver 2010 verpasste er einen Top-Ten-Platz knapp. Ein Jahre später gewann er einen Fis-Lauf in Mora, danach beendete er seine Karriere und arbeitete an der Universität Östersund im Wintersportforschungszentrum als Assistent im Labor. Als Coach wollte er nie arbeiten. "Dafür fehlte mir die Leidenschaft. Ich wollte die Kontrolle über den gesamten Ski-Cross-Bereich, Sportdirektor sein." Und so kam es dann auch. Es habe ihn interessiert, ohne Basis ganz von vorne anfangen zu können. Als das Angebot kam, in den Alpin-Bereich zu wechseln, sagte er umgehend zu. (Thomas Hirner aus Åre, 7.2.2019)