Im Bienenalltag mag Arithmetik nicht so praktisch scheinen. Tatsächlich aber kann das Lernen von Regeln beim Nektarsammeln nützlich sein.

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Die Fähigkeit zu zählen ist nicht allein dem Menschen vorbehalten. Der Tungara-Frosch im tropischen Südamerika etwa scheint diese Begabung ebenso zu besitzen wie manche Fischarten und Vögel. Wissenschafter haben mittlerweile eine ganze Reihe von Spezies über das gesamte evolutionäre Spektrum hinweg identifiziert, die offensichtlich einen ausgeprägten Sinn für Mengen besitzen und damit nicht nur viel von wenig unterscheiden können, sondern tatsächlich konkrete Zahlen zu erfassen in der Lage sind.

Elefanten beispielsweise zeigten in einigen Versuchen sogar Anzeichen dafür, dass sie zu einfachen Kalkulationen fähig sind. Junge Hühner scheinen ein ebenso erstaunliches Zahlenverständnis zu besitzen. Nun aber zeigt sich, dass für mathematische Fähigkeiten nicht unbedingt ein komplexes Wirbeltiergehirn notwendig ist: Selbst Insekten dürften der Mathematik in gewisser Weise mächtig sein.

Rechentest für Bienen

Ein Team um Scarlett Howard von der RMIT University in Melbourne hat Honigbienen einem arithmetischen Test ausgesetzt, den diese verblüffenderweise großteils gemeistert haben. Die im Fachjournal "Science Advances" präsentierten Ergebnisse erwecken den Anschein, als wären die Insekten sogar zu Addition und Subtraktion befähigt.

Im Rahmen dieser Experimente wurden die Bienen darauf trainiert, Farben mit Rechenoperationen zu assoziieren. Erkannten die Insekten am Zugang zu einer Entscheidungskammer mehrere gelbe Quadrate, sollten die Bienen lernen, dass sie eines der gesehenen Elemente abziehen sollten. Sahen die Tiere dagegen blaue Quadrate, mussten sie ein Quadrat addieren. Die Anzahl der Objekte zu Beginn variierte dabei von eins bis fünf.

Nach der Passage dieser "Lernkammer" gelangten die Bienen in einen Raum mit zwei Ausgängen, wo sie vor eine Wahl gestellt wurden. Einer der Ausgänge war mit einer Rechenaufgabe und der korrekten Lösung versehen, der andere zeigte ein falsches Rechenergebnis. Wählte die Biene jenen Ausgang mit der richtigen Anzahl an Quadraten, erhielt sie zur Belohnung einen Tropfen Zuckerwasser. Die Kammer mit dem falschen Ergebnis enthielt eine übel schmeckende Lösung.

Nützliche Fähigkeit

Letztlich absolvierten 14 ausgewählte Bienen rund 100-mal diese Trainingsdurchgänge, bis sie begriffen hatten, worum es geht. Beim eigentlichen Rechentest wählten sie in 67,5 Prozent der Fälle die korrekte Lösung. Damit lagen sie signifikant häufiger richtig, als man per Zufallswahrscheinlichkeit erwarten würde.

Nach Ansicht der Wissenschafter um Howard ist dies ein klarer Beweis dafür, dass Bienen rechnen lernen können. Die Experimente würden demnach belegen, dass die Insekten einfache Additionen und Subtraktionen nach vorgegebenen Regeln durchzuführen in der Lage sind und sogar die erlernten Regeln auf neue Situationen übertragen können. Auch wenn Arithmetik an sich im Alltag der Bienen wohl keine Rolle spielen dürfte, könnten die zugrunde liegenden Fähigkeiten durchaus biologische Vorteile bringen, vermuten die Forscher.

Skeptische Fachkollegen

"Dieses Vermögen könnte überaus nützlich sein, wenn es darum geht abzuwägen, welche Merkmale von Blüten beim Sammeln von Nektar wertvolle Ressourcen ankündigen und welche nicht", vermuten die Wissenschafter. "Wenn die Honigbiene Regeln lernen und anwenden kann, profitiert sie im Sammelalltag sehr wohl davon."

Allerdings sind nicht alle Fachkollegen von den Resultaten überzeugt. Der Biologe Clint Perry von der Queen Mary University in London sieht die Resultate eher skeptisch: "Addition und Subtraktion erfordern normalerweise außerordentliche kognitive Fähigkeiten. Um das letztlich nachzuweisen, braucht es ebenso außerordentliche Beweise." (Thomas Bergmayr, 8.2.2019)