Die ewige Suche nach dem Jungbrunnen. Schon Anfang des 17. Jahrhunderts lagen die Hoffnungen unglücklich Gealterter im Blut.

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Wie die Milliardäre des Silicon Valley den Tod sehen, hat Peter Thiel einmal prägnant zusammengefasst. Man könne sich ihm auf dreierlei Weise nähern, sagte er, der Investor, der einen Coup landete, indem er als erster Geldgeber von Rang bei Facebook einstieg, nachdem er bereits mit dem Verkauf des Online-Bezahlsystems Paypal ein Vermögen gescheffelt hatte.

"Man kann ihn akzeptieren, man kann ihn leugnen, man kann ihn bekämpfen." Er glaube, verlautete Thiel, die Gesellschaft bestehe vor allem aus Leuten, die den Tod entweder akzeptieren oder leugnen. Er dagegen ziehe es vor, ihn zu bekämpfen.

Es klang fast so, als wäre das zwangsläufige Ende menschlichen Lebens ein eher technisches Problem, das sich lösen lasse. Zwei Autostunden südlich des Silicon Valley, in der kalifornischen Küstenstadt Monterey, versucht ein Mediziner namens Jesse Karmazin, vom Glauben an die Lösbarkeit des Problems zu profitieren.

Am Pazifik hat er ein Start-up mit dem klingenden Titel Ambrosia gegründet. Ein Unternehmen, das den Blutkreislauf älterer Menschen durch das Blut jüngerer gewissermaßen auffrischt – das von der Sehnsucht nach einem Elixier ewiger Jugend lebt.

Ein Liter Blut um 8000 Dollar

Ein Liter kostet achttausend Dollar, zwei schlagen – rabattiert – mit zwölftausend Dollar zu Buche. Nach Karmazins Angaben haben sich bereits ungefähr 150 Kunden in eine mit seinem Labor verbandelte Klinik begeben, der älteste ist 92 Jahre alt, in der Hoffnung, durch junges Blut alte Dynamik zurückzugewinnen.

Viele von ihnen, sagt der Unternehmensgründer, konnten hinterher besser schlafen, sich besser konzentrieren, sich besser erinnern. Zudem hätten sich erschlaffte Muskeln deutlich straffer angefühlt als vor der Behandlung.

Experten kommentieren es mit einer großen Portion Skepsis. Bislang gebe es keine Beweise dafür, dass Karmazins Verfahren den Betroffenen tatsächlich helfe, dämpfte Tony Wyss-Coray, Biologe und Neurowissenschafter an der Stanford University, im Wissenschaftsmagazin Science die Euphorie. Vieles sei noch nicht ausreichend erforscht. Wer Gegenteiliges behaupte, missbrauche das Vertrauen der Leute.

Experimente in den 1920er Jahren

Pionierpfade oder Scharlatanerie? Während Karmazin von hoffnungsvollen Ergebnissen spricht, wird der Hype um seine Methode von der Comedy-Serie Silicon Valley gnadenlos auf die Schippe genommen. Da bekommt einer ihrer Protagonisten, der Hightech-Guru Gavin Belson, einen "blood boy" zur Seite gestellt, von dessen Bluttransfusionen sich der reiche Mann jugendliche Power verspricht.

Der Kauf der ewigen Jugend, im Grunde ist es eine uralte Geschichte. Bereits 1615, so hat es das Magazin The New Yorker dokumentiert, regte ein deutschsprachiger Arzt an, das Blut eines jungen in den Körper eines älteren Mannes fließen zu lassen, "als wäre es ein Jungbrunnen".

1924 begann der russische Mediziner Alexander Alexandrowitsch Bogdanow mit Transfusionen zu experimentieren. Es schien Wirkung zu erzielen: Man fühle sich um sieben, nein, sogar um zehn Jahre jünger, merkte einer seiner revolutionär gesinnten Weggefährten an. Dann aber injizierte sich Bogdanow das Blut eines Studenten, der sowohl an Malaria als auch an Tuberkulose erkrankt war, worauf er das Zeitliche segnete.

Biologie ist keine App

Im Jahr 2005 schließlich gab ein Labor der Universität Stanford, geleitet von dem Stammzellenforscher und Neurologen Thomas Rando, einen Durchbruch auf dem Gebiet der Parabiose bekannt. Parabiose, darunter versteht man die Interaktion von Organismen, bei denen der eine mit dem anderen verwachsen ist.

Nachdem Randos Team die Blutkreisläufe alter und junger Mäuse mit chirurgischen Mitteln zu einem Kreislauf vereinte, mit anderen Worten: die Mäuse unter Betäubung zusammennähte, wirkten die alten Tiere deutlich vitaler, als es zuvor der Fall gewesen war. Er habe sich daraufhin oft mit jungen Multimillionären der Hightechbranche getroffen, erzählte Rando dem New Yorker. "Sie alle wollten wissen, wann der Schleier des Geheimnisses denn nun endlich gelüftet wird, sodass sie sowohl beim nächsten großen Ding mitmachen als auch persönlichen Nutzen daraus ziehen können."

Doch die Biologie, warnte der Neurologe, sei keine App, das hohe Tempo des Silicon Valley lasse sich nicht einfach auf sie übertragen. "Die Leute werden enttäuscht sein, denn in unserem Metier es geht viel langsamer voran."

Einspruch im Namen der Ethik

Einspruch wird nicht zuletzt im Namen der Ethik erhoben: Ist es moralisch nicht zutiefst bedenklich, wenn ein Geschäftsmodell auf der Eitelkeit wohlhabender Senioren beruht, die glauben, sich ihre Jugend zurückkaufen zu können? Zudem gibt es praktische Bedenken.

Eine Bluttransfusion berge immer auch Risiken, warnt Marc Siegel, Medizinprofessor der New York University, obendrein Kommentator medizinischer Themen beim Sender Fox News. "So attraktiv das alles klingen mag, dein Körper nimmt die intime Blutchemie eines anderen Menschen auf. Es ist nicht so, als wolltest du nur den Tank deines Autos füllen."

Wyss-Coray, der aus der Schweiz stammende Wissenschafter, hat gleichfalls Mäuse zusammennähen lassen. Auch in seinem Labor wirkte das junge Mausblut wie eine Neubelebung für das altersschwache Tier. Das Herz, die Muskeln, die inneren Organe, alles funktionierte auf einmal besser. Am bemerkenswertesten aber war die Wirkung auf das Gehirn: Kognitive Tests absolvierten die Greise plötzlich ohne Probleme.

Blut gegen Alzheimer

Im nächsten Schritt bat Wyss-Coray seine jüngsten Studenten, Blut zu spenden. Außerdem ließ er sich Beutel mit dem Blut aus den Nabelschnüren Neugeborener liefern. Den greisen Mäusen wurde nun das Plasma junger Menschen gespritzt. Das Ergebnis schien den Optimisten recht zu geben. Das Blut der Studenten wirkte tatsächlich verjüngend auf die Tiere, das der Babys noch mehr.

Auf die Frage nach den Gründen gibt es bis heute keine eindeutigen Antworten. Doch Experimente wie dieses begründen die Hoffnung, die Effekte aus dem Reich der Mäuse ließen sich irgendwie auf den Menschen übertragen. Wyss-Coray erforscht inzwischen, ob sich mit jugendlichem Blut etwa dem nahezu vollständigen Gedächtnisverlust der Alzheimer-Krankheit vorbeugen lässt.

Auch Irina Conboy, Biotechnikerin an der Universität Berkeley, ebenfalls Parabiose-Pionierin, fand heraus, dass sich die Sache mit dem Blut positiv auf die Gesundheit alter Mäuse auswirkt. Allerdings, gibt sie zu bedenken, hätten die Tiere nicht nur Blut ausgetauscht, auch von der Vitalität junger Organe – der Lunge, der Leber, der Niere – habe das ältere profitiert. Ob Blut der Hauptfaktor der Verjüngung ist, ist in Conboys Augen noch nicht erwiesen. (Frank Herrmann aus Washington, 12.2.2019)