Wien – Von einer 20-köpfigen Drogen-Bande, die 3,7 Tonnen Marihuana in Verkehr gesetzt und damit knapp 19 Millionen Euro erwirtschaftet haben soll, befindet sich kein einziger Beschuldigter mehr im Gefängnis. Wie der Sprecher des Landesgerichts für Strafsachen, Thomas Spreitzer, auf APA-Anfrage mitteilte, wurden am Freitag die letzten beiden in U-Haft befindlichen angeblichen Bandenmitglieder enthaftet.

Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Beschwerde ein, gab Behördensprecherin Nina Bussek bekannt.

Vermutlicher Bandenchef seit Montag frei

Am vergangenen Montag war der mutmaßliche Kopf der Bande, ein 38 Jahre alter Österreicher serbischer Herkunft, wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots vom Landesgericht auf freien Fuß gesetzt worden. Nach Ansicht des Gerichts waren die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu schleppend verlaufen. Nach achtmonatiger U-Haft und weil unklar ist, wann mit dem Vorliegen einer Anklage gerechnet werden kann, konnte der Mann ohne Auflagen seine Zelle in der Justizanstalt Josefstadt verlassen. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Rechtsmittel ein und verteidigte die Dauer ihrer Ermittlungen mit dem umfangreichen, 13 Bände umfassenden Akt und entsprechend aufwendigen Erhebungen.

Am Freitag folgte für die Anklagebehörde der nächste Dämpfer. Das Landesgericht setzte zwei von den Verteidigern Rudolf Mayer und Alexander Philipp prominent vertretene Männer auf freien Fuß, die im oberen Bereich der kriminellen Organisation angesiedelt gewesen sein sollen. Damit befindet sich derzeit kein Mitglied der Drogen-Bande mehr im Gefängnis. Sieben eher untergeordnet Beteiligte sind erstinstanzlich bereits abgeurteilt worden, hatten aber laut der in dieser Causa tätigen Verteidiger-Riege entweder Bewährungsstrafen oder teilbedingte Haftstrafen erhalten, wobei der unbedingte Strafteil unter Anrechnung der jeweiligen U-Haftzeiten als verbüßt anzusehen war.

Weist alle Vorwürfe zurück

Hinsichtlich des mutmaßlichen Banden-Chefs, der am 6. Juni 2018 in U-Haft genommen worden war und der seither sämtliche gegen ihn gerichteten Vorwürfe zurückgewiesen hat, hat der Oberste Gerichtshof (OGH) Ende August festgestellt, dass der 38-Jährige in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt wurde. Philipp Wolm, der Rechtsvertreter des Mannes, hatte dessen Inhaftierung schon im Sommer bekämpft. Das OLG ordnete damals die Fortsetzung der U-Haft an – allerdings ohne Sachverhaltsannahmen zum dringenden Tatverdacht und Feststellungen zu konkreten Tathandlungen, der angenommen unternehmensähnlichen Bandenbildung oder dem Reinheitsgehalt des sichergestellten Suchtgifts zu treffen, wie der OGH dem in einer Haftbeschwerde geäußerten Vorbringen des Verteidigers beipflichtete. Die "zutreffend aufgezeigten Defizite der angefochtenen Entscheidung erfordern die unverzügliche Klärung der Haftvoraussetzungen", stellte der OGH im Spätsommer fest (Geschäftszahl 12 Os 98/18f-8). (APA, 8.2.2019)