"Du bist das bekannteste, prägendste und beliebteste Gesicht des ORF. Und das seit Jahrzehnten." "Krone"-Postler Michael Jeannée über Vera Russwurm.

Foto: ORF/Hubert Mican

Wie soll man da noch glauben? Der "Kurier" hilft einem nicht wirklich bei der Beantwortung dieser Frage. Eine Ex-Nonne aus Bregenz musste kommen, um Papst Benedikt und Papst Franziskus auf das Missbrauchsthema aufmerksam zu machen, berichtete er am Donnerstag. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, es haben ohnehin alle gewusst. Auf dem Rückflug von Abu Dhabi nach Rom sagte Franziskus mitfliegenden Journalisten: "Es stimmt, es ist ein Problem. Ich weiß, dass Priester und auch Bischöfe das getan haben. Und ich glaube, es wird immer noch getan", bekannte der Papst und gewährte wenig Trost: Das sei keine Sache, die einfach so aufhöre.

Erst seit etlichen Jahrhunderten

Hinter den Kulissen, so ließ der Papst durchblicken, arbeite man seit Langem an einer Lösung für das Problem, das "einige Kulturen und religiöse Gemeinschaften mehr als andere betreffe". Man gehe den Anzeigen nach. Die Arbeit hinter den Kulissen zieht sich in die Länge und hätte vermutlich noch gar nicht begonnen, wagten nicht immer mehr Opfer den Schritt an die Öffentlichkeit, weil sie nicht warten wollen, bis die innerkirchliche Arbeit an einer Lösung für das Problem abgeschlossen wird. Das Problem gibt es schließlich erst seit etlichen Jahrhunderten, und es war auch stets klar, worin es liegt. Missbrauch hänge generell mit der Struktur der Kirche zusammen, in der sich die Macht ausschließlich in Männerhänden befinde.

Also, wenn das die Vatikanzeitung L'Osservatore Romano kritisiert, dann muss es wahr sein, das Blatt ist schließlich unabhängig wie die "Kronen Zeitung". Man geht aber nicht nur Anzeigen nach, mit der öffentlichen Selbstanzeige im Namen der Kirche löst Franziskus ein Beben aus. Das bleibt abzuwarten. Laut Schätzungen wurden 30 Prozent aller Nonnen Opfer von sexuellem Missbrauch durch Ordensbrüder und Priester. Wenn dieser Missbrauch wirklich generell mit der Struktur der Kirche zusammenhängt, dann wird es mit der Missbrauchs-Konferenz im Vatikan kaum abgetan sein, die der Papst für Ende Februar einberuft.

Gott sei Dank schon einige Zeit her

Da müsste schon kommen, was die "Krone" aus Deutschland berichtete. Theologen fordern jetzt Neuanfang der Kirche. Frauen sollen endlich geistliche Ämter bekleiden. Schlimmer noch. Neun namhafte Theologen und Katholiken setzen sich dafür ein, dass die Priester ihre Lebensform selbst aussuchen können. Der Kardinal, der Ende Februar zu besagter Konferenz im Vatikan zitiert ist, soll sich außerdem für mehr Verständnis für Homosexualität stark machen.

Die Sensibilisierung dafür nimmt zu. Im Bayerischen Rundfunk sprach auch Schönborn erstmals über persönliche Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen. Als Jugendlicher habe ihn ein Pfarrer zu küssen versucht, was, Gott sei Dank, schon einige Zeit her ist. Außerdem habe er oft abfällige Sprüche gegenüber Nonnen vernommen.

Unter Laien, zumal journalistischen, wagt man derlei schon lange nicht mehr. Da nimmt die Frauenverehrung geradezu schwärmerische Formen an, wie sie selbst dem gläubigsten Pietisten niemals feuriger aus dem Schreibwerkzeug geflossen sind. Liebe Vera, schwärmte also Michael Jeannée, Du bist das bekannteste, prägendste und beliebteste Gesicht des ORF. Und das seit Jahrzehnten. Die indezente Anspielung auf das Alter ist ihm in seinem Zustand religiöser Verzückung herausgerutscht, wird aber sofort durch den Hinweis gutgemacht, dass dieses bekannteste, prägendste und beliebteste Gesicht auch für die "Krone" als TV-Insiderin mit Deinen wöchentlichen Interviews auf den Fernsehseiten Unvergängliches geleistet hat.

Viel Schaum war das nicht

Und wie Jeannée sich für Frauen im Kirchendienst der "Krone" einsetzt – da kann sich jeder Kardinal ein Scherzerl abschneiden. Aber nun bist Du ins Visier der Linken geraten. Und wer sich da Übergriffe leistet, bleibt nicht kirchlich verborgen. Speerspitze gegen Dein Engagement ist natürlich das rote Anti-Regierungs-Kampfblatt "Der Standard". Dort schäumt man: Unvereinbarkeit bei Vera Russwurm – entweder Politik oder ORF!

Viel Schaum war das nicht, aber die Einschüchterung könnte anderswo funktionieren. Wrabetz & Co. werden es zwar nicht wagen, eine Vera Russwurm auf Zuruf von außen zu demontieren! Aber: wenn doch? Dann, liebe Vera – Jeannée ganz Regierungssprecher – willkommen als hauptberufliche Polit-Lady bei Türkis- Blau. Als bekanntestes, prägendstes und beliebtestes Gesicht der Regierung Kurz.

Das wäre eine leichte Aufgabe. (Günter Traxler, 10.2.2019)