"Künstliche Intelligenz von heute ist nur Fake-Intelligenz. Auf Dauer machen den Menschen Kunst und Empathie einzigartig." Ist das "Meat-Chauvinismus" von uns Kreaturen aus Fleisch und Blut gegenüber seelenlosen Maschinen? Eher nein. Denn die Worte stammen von einem Spezialisten.

Linguist und Roboterforscher Luc Steels tüftelte bereits in den 1990ern an selbstlernenden Sprachcomputern (Talking Heads), gehört also nicht zu jenen, die befürchten, künstliche Intelligenz mache sie irgendwann überflüssig.

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Das verschwommene, teils recht pixelige Porträt von Monsieur Belamy, einem Mann mit weißem Kragen, erinnert leise an einen Adeligen des 18. Jahrhunderts.
Foto: AP / Christies

In der Kunst wird das noch lange nicht so sein. Selbst wenn die Welt letzten Herbst staunte, als das von einer KI geschaffene Bild Porträt von Edmond de Belamy bei Christie's versteigert wurde. Selbst Deep-Learning-Systeme imitieren lediglich Muster des menschlichen Verhaltens, verstehen tun sie es deswegen noch nicht.

Denn das hieße, ein künstliches Gehirn zu schaffen, das über die Vielseitigkeit des menschlichen verfügt: 86 Milliarden Nervenzellen, von denen jede über tausend Synapsen mit anderen Neuronen verbunden ist, Nervenbahnen in der Länge von 145 Erdumrundungen. Bis heute hat man nicht annähernd eine Vorstellung davon, wie solche Komplexität zu erschaffen wäre.

Lernvorgang imitieren

Was künstliche neuronale Netze jedoch können, ist, den assoziativen Lernvorgang, etwa das Koppeln von Bildern mit anderen Informationen, zu imitieren. Sie suchen nach Mustern, erstellen Statistiken. Das ist allerdings ein analytisches Verfahren, keine "echte" Intelligenz oder Kreativität.

Aber auf diesem Weg entstand das verschwommene, teils recht pixelige Porträt von Monsieur Belamy, einem Mann mit weißem Kragen, der leise an einen Adeligen des 18. Jahrhunderts erinnerte. Mit 15.000 Bildnissen aus sechs Jahrhunderten hatte man die Maschine gefüttert.

Aus der Datenmenge errechnete ein Algorithmus so lange neue Bilder, bis ein anderer korrigierender Algorithmus ihm auf den Leim ging und eines davon für ein von einem Menschen geschaffenes hielt. Das Ergebnis dieses "So-erscheinen-als-ob" wurde als Kunst verkauft.

Obvious

Was ist Kunst?

Zwei Fragen sind dabei getrennt voneinander zu betrachten: zum einen jene, ob das nun Kunst ist, zum anderen jene, ob damit auch die Maschine, die KI, ein Künstler ist. So nüchtern das klingen mag: Was Kunst ist, ist eine gesellschaftliche Übereinkunft – zu einer gewissen Zeit und in einem gewissen Raum.

Denn von sich aus ist kein Bild, wenn es irgendwo im stillen Kämmerlein hängt, und sei es noch so fantastisch gemacht, Kunst. Erst die Behauptung, etwas sei Kunst, und deren Bestätigung durch eine gewisse Gruppe – sei es die von Experten in Museen oder die des Marktes, macht daraus ein Kunstwerk.

Eingebracht hat diesen Antrag auf den Status "Kunst" das Pariser Kollektiv Obvious, drei befreundete Künstler und Forscher zu selbstlernenden Systemen. Die Bestätigung des Markts fiel beachtlich aus: Bei umgerechnet rund 380.000 Euro donnerte das Hämmerchen nach einem Bietergefecht herunter und übertrumpfte damit bei derselben Auktion Werke so berühmter wie teurer Zeitgenossen wie Jeff Koons, Christo oder Banksy.

Relevant ist der Druck nur hinsichtlich seiner Erstmaligkeit: Dem Verkauf bei einer Auktion.
Foto: APA / AFP / Timothy A. Clary

Ob so ein Preis wiederholbar ist, steht auf einem anderen Blatt. Vermutlich wird der Käufer, der das 40-Fache des Schätzwerts gezahlt hat, Mühe haben, das Werk irgendwann einmal ohne Verlust anzubringen. Relevant ist der Druck nur hinsichtlich seiner Erstmaligkeit: Dem Verkauf im Rahmen einer Aktion.

Potenzbeweis der Technologie

Wesentlich für das Argument "Kunst" war also der Einbringer: Das Künstlerkollektiv sorgt mit einer Biografie für Kontext und Authentizität. Obvious ist verantwortlich für das Konzept dieser Maschinenperformance, selbst wenn der zugrunde liegende Code gar nicht von ihm selbst geschrieben wurde. Darin liegt auch der Unterschied zum Amsterdamer Projekt The Next Rembrandt: Dort löste ein zuvor mit Daten zum Gesamtwerk des Alten Meisters gespeister Computer die Aufgabe, ein neues Bild im Stile Rembrandts zu malen. Das Ergebnis war frappierend.

The Next Rembrandt

Das Joint Venture von Forschern der Universität Delft mit der Wirtschaft war jedoch eher ein Potenzbeweis der Technologie. Der Anspruch, dass dies Kunst sei – oder womöglich das nie gemalte Bild eines Meisterfälschers – wurde nie gestellt.

Beiden Projekten – und auch dem mit dem Pinsel hantierenden Malroboter E-David – ist gemein, dass KI als Werkzeug genutzt wird, als künstlerisches Medium wie etwa ein Fotoapparat. Denn noch ist die KI, obwohl uns Science-Fiction-Filme wie Her oder Ex Machina das glauben machen, keine Intelligenz mit Bewusstsein.

MarcusNebe

Sie hat keine Ideen, macht keine Fehler. Es ist ein Werkzeug, dessen Erzeugnisse die Frage nach dem aufwerfen, was Kreativität und Kunst ausmacht. Das Menschsein reflektieren, kollektiv denken und handeln, Wagnisse eingehen, wie es Künstler tun, das kann KI nicht.(Anne Katrin Feßler, 9.2.2019)