Präsentierten im früheren Esszimmer das Literaturhaus: Bernhard (li), Egger, Kühn.

Foto: Jutta Berger

Die fesche Spinnerin symbolisiert das Textilunternehmen der Rosenthals.

Foto: Stadt Hohenems

Hohenems – Poststation, Bürgerhaus, Fabrikantenvilla, temporäre Wohnstätte für Displaced Persons, Arbeiterunterkunft, Leerstand: Der teils desolate Gebäudekomplex am Eingang zur Hohenemser Altstadt hat eine wechselvolle Geschichte.

Das Hauptgebäude, die Villa Franziska, stand über Jahrzehnte leer. Entsprechend morbid ist ihr Erscheinungsbild. Nun soll das "literatur : vorarlberg netzwerk" dem Gebäude Leben einhauchen und dort ein Literaturhaus einrichten.

Mit dem vorerst auf drei Jahre anberaumten Projekt wird die Revitalisierung der Hohenemser Altstadt fortgesetzt. Aus dem morbiden Bauwerk soll wieder die einst prunkvolle Villa werden, die Franziska und Iwan Rosenthal 1890 von den Zürcher Architekten Alfred Chiodera und Theophil Tschudy errichten ließen.

Alte Villa, neu gedacht

Die Villa markiert das nördliche Ende des Jüdischen Viertels. Sie steht seit 1988 unter Denkmalschutz. Ein besonderes Kleinod ist die Kegelbahn, die Villa und Wirtschaftstrakt (heute ein Wohnhaus) verbindet. Zum weitläufigen Park hin ein Holz-Glasbau, zur Straße Mauerwerk, gleicht das Bauwerk einem Wintergarten. Genutzt wurde es als Kegelbahn. Es birgt kunsthandwerkliche Besonderheiten, Wandmalereien im japanischen Stil und eine bunte Holzdecke mit Laubsägearbeiten. Wie die Kegelbahn nach der Renovierung genutzt werden soll, ist noch offen.

Projektentwickler Markus Schadenbauer, der Villa und Areal gekauft hat, hofft, dass das Experiment Literaturhaus, vorerst durch Förderzusagen von Land und Stadt Hohenems auf drei Jahre gesichert, gelingt. Dann könnten weitere Nutzer aus dem Bereich Literatur, Verlage, Schreibende, andere Kreative einziehen. Auch an ein Kaffeehaus ist gedacht.

Ein Teil des Parks soll verbaut werden. Der direkt an die Villa angrenzende Bereich wird öffentlich zugänglich. Wann genau mit der Renovierung begonnen wird, steht noch nicht fest. Schadenbauer hat bereits mehrere Objekte im Jüdischen Viertel renoviert und zeichnet für die sorgfältige Instandsetzung zahlreicher Gebäude in der Marktgasse, vor allem aber deren Wiederbelebung durch Ansiedlung kleiner Handels- und Handwerksbetriebe, verantwortlich.

Ein Haus für die Literatur

"Hohenems war und ist es ein großes Anliegen, eine öffentliche und kulturell wertvolle Einrichtung in der historischen Villa Rosenthal unterzubringen", sagt Bürgermeister Dieter Egger (FPÖ). "Lebendig" soll die Einrichtung sein, Strahlkraft weit über Stadt und Region hinaus entfalten. Stadt und Land fördern das Projekt in den nächsten drei Jahren mit 420.000 Euro.

Die Netzwerkstelle für Autorinnen und Autoren namens "literatur : vorarlberg netzwerk" wurde 2015 gegründet. Sie hat die Koordination der Vorarlberger Literaturszene zur Aufgabe. "Weit übertroffen" habe die Schnittstellenarbeit die Erwartungen, sagt Kulturlandesrat Christian Bernhard (VP), nun soll sie zum Literaturhaus weiterentwickelt werden. Frauke Kühn, verantwortlich für Netzwerk und Konzept, möchte "ein kooperierendes Haus, das Raum für Experimente anbietet, um neue Formate, Technologien und Methoden in die Praxis umzusetzen".

Angesprochen werden soll vor allem auch eine junge Generation, Schreibende wie Publikum. Ein Schwerpunkt wird die Literaturform Graphic Novel, der Comic-Roman, sein. Für Kühn wie Schadenbauer ist das Literaturhaus "ein Denkprozess mit offenem Ausgang". (Jutta Berger, 8.2.2019)