Der 28-jährige Fabian Altstätter alias Jungstötter gilt derzeit als große deutsche Songwriterhoffnung.

Foto: Bianca Phan

Sobald Popmusik ein gewisses "Niveau" erreicht, also ein bisschen melancholisch, erdschwer oder gar depressiv wird, spricht man bei jungen Künstlern gern von "alten Seelen". Dies unterstellt zum einen, das man mit zunehmendem Alter der Schwermut zuneigt, was natürlich Blödsinn ist. So dreckig, wie es einem in der Pubertät zu gehen imstande ist, kann es später auch nicht mehr dicker kommen. Zum anderen wäre es in den meisten Fällen wohl besser, ab einem gewissen Alter je nach Intensitätsgrad entweder von milder Resignation oder reiner Verzweiflung zu sprechen.

Kopf hoch, Brust raus

Fabian Altstötter muss das nicht kümmern. Obwohl er mit seinen 28 Jahren schon eine Vergangenheit als Mitglied der kunst- und qualitätsbeflissenen deutschen Provinzband Sizarr hinter sich hat, nennt er sich naturgemäß "Jungstötter". Immerhin ist es seit Jahr und Tag verboten, über 40 zu werden, wenn man als Kreativer in Berlin wohnt. Alte Bekannte wird man dort nicht haben. Jungstötters Solodebüt wird derzeit überall zu Recht bejubelt. "Love Is" hebt gleich einmal mit dem programmatischen Lied "Silence" an.

Jungstötter

Mit Beserlschlagzeug, Klavier und gegen die Einbahn irrlichternder Gitarre führt dies zu zwangsläufigen Nick-Cave-Vergleichen. Allerdings hindert das stimmlich erheblich pathetische und mit dem Brustton der Überzeugung vorgebrachte Vibrato Jungstötter daran, seine Schuhspitzen anzujammern: "There's a silence in this room/ It’s making everyone uncomfortable." Kopf hoch, Brust raus! Musikalisch wird Jungstötter das Balladenprogramm so ziemlich über das ganze Album durchhalten.

Extrem balladeske Balladen

Im Song "Systems" geht es von Cave kurz zurück zu Leonard Cohen und dessen "Avalanche". Alles baut ja immer auf allem auf. Die Konzertgitarre grübelt, hinten pfeift eine Orgel aus dem letzten Loch, dann marschiert die elektronisch nachgestellte Zirkusblasmusik in die Manege: "Noisy with light, so goes the night." In "The Rain", einer sozusagen selbst für Jungstötters Verhältnisse extrem balladesken Ballade, trifft Scott Walker poptragödisch referenzreich auf Anohni.

Jungstötter

Das finale "To Be Someone" reißt im Cinemascope-Format weite Räume auf. Ein Song wie großes, sehr theatralisch und herzerweiternd angelegtes Kino. Das kriegen von der Dynamiksteigerung nur wenige Leute hin. Den Vergleich mit Nick Cave oder auch Crime & The City Solution in ihrer Berlin-Phase muss sich der Mann allerdings gefallen lassen. Mit Anfang 30 war Cave dann übrigens damals, 1990, wieder weg aus der Stadt. (Christian Schachinger, 12.2.2019)