Die Nagelprobe ist bestanden. Anfang Oktober hat der US-Onlineriese Amazon in Großebersdorf im Bezirk Mistelbach in NÖ sein erstes Verteilzentrum in Österreich aufgemacht. Im Weihnachtsgeschäft sind schon die Amazon-Boten gen Wien ausgeschwärmt, 10.000 Pakete pro Tag wurden im Ballungszentrum an die Kunden geliefert, mittlerweile ist man bei 25.000 bis 35.000, sagt Tobias Hildebrand sichtlich stolz.

Hildebrand ist als Operationsmanager bei Amazon Deutschland dafür zuständig, dass jedes Paket effizient durch die rund 10.000 Quadratmeter große Logistikhalle nahe der Autobahnabfahrt Eibesbrunn geschleust wird, wie er anlässlich der offiziellen Eröffnung erklärt.

150 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind hier beschäftigt, die 25.000 bis 35.000 Pakete an die Kunden zu bringen. Zu Vergleich: Die Post hat in derzeit sieben Paketverteilzentren in Summe knapp 1000 Mitarbeiter. Am Standort Hall in Tirol werden pro Tag von rund 75 Mitarbeitern knapp 42.000 Pakete abgefertigt.
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Die Waren, die hier in den bekannten Kartonschachteln angeliefert werden, kommen aus ganz Europa, aus einem der großen Logistikzentren, zum Beispiel in Graben bei Augsburg. Dort werden Millionen Artikel gelagert, hier sind auch die berühmten Roboter im Einsatz, die Kaffeemaschine oder Zahnbürste, die der Kunde bei Amazon erwirbt, aus den Regalen holen. In Großebersdorf gibt es keine Roboter, die Niederlassung ist ein reines Verteilzentrum.

Im Dreischichtbetrieb wird von 150 Mitarbeitern vor allem zugeteilt, eingepackt in große, graue Taschen, die wiederum in hohe Trolleys sortiert werden – nach dem Fingersystem wie Hildebrand erklärt. Eine geografische Zuordnung, damit die Zusteller in ihrem Lieferwagen nur jene rund 100 Pakete mitnehmen, die sie in ihrem Rayon auszuliefern haben. Rund 75 Prozent der Empfänger treffen sie beim ersten Versuch an, rund 15 Prozent landen im Postkasten oder werden zum Beispiel bei Nachbarn abgegeben. Der Rest kommt wieder zurück.

Hier werden die Taschen mit den Paketen einsortiert. Zwischen zwei und zehn Stunden ist ein Paket im Verteilzentrum unterwegs.
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Von Großebersdorf aus arbeitet Amazon mit regionalen Unternehmen zusammen, darunter bekannte wie Veloce oder weniger bekannte wie Intersprint, Albatros und LTS. Angestellte Zusteller, wie bei der Post, die ebenfalls zu einem kleinen Teil in der Zustellung mit Subunternehmen arbeitet, um etwa Spitzenzeiten abzudecken, gibt es hier nicht.

Bezahlt wird in Großebersdorf nach Logistik-Kollektivvertrag, der Einstieg beginnt mit 10,25 Euro brutto die Stunde. Für viele der angelernten Kräfte kein so schlechter Lohn. Sie schätze vor allem, dass sie nur sieben Minuten Arbeitsweg von Wolkersdorf nach Großebersdorf habe, sagt eine von ihnen – und dass die Frühschicht gut mit der Kinderbetreuung vereinbar sei.

Ein Zusteller lädt seine Pakete ein. Die ersten schwärmen um neun Uhr morgen aus. Auch die Post beschäftigt in Spitzenzeiten Subunternehmer, gut möglich, dass eine Firma sowohl für Amazon als auch für die Post ausliefert.
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Verteilt werden hier auch die Waren von Dritthändlern, die auf der Plattform Amazon ihre Produkte feilbieten (dabei verdient Amazon eine Provision). Ein wichtiger Schritt: Die Mitarbeiter scannen die Pakete, denn die Software weiß zu jeder Zeit, wo sich ein Artikel befindet. Das System sei besonders effizient, sagt Bernd Gschaider, Direktor für Amazon Logistics. Gschaider kommt aus der Autoindustrie, mit effizienten Prozessen ist er vertraut. Besondere Bedeutung komme der künstlichen Intelligenz zu, wie er sagt.

Werden Empfänger – etwa an einer Geschäftsadresse – nicht angetroffen, weil zum Zustellzeitpunkt schon geschlossen ist, werden diese Daten eingespeist. Bei der nächsten Routenplanung wird dieser Umstand berücksichtigt. "Wir werden immer besser", sagt Hildebrand. Die anfänglichen Fehlzustellungen würden immer weniger.

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Beim heimischen Platzhirsch, der Post, haben die teilweise langjährigen Mitarbeiter dieses Wissen im Kopf. Softwareunterstützung gibt es im ländlichen Raum allerdings am Samstag, wenn zu den Briefen auch Pakete kommen und das Zustellgebiet damit größer als während der Woche ist.

Die Amazon-Manager sind davon überzeugt, dass künstliche Intelligenz einer der Wettbewerbsvorteile ist. Die Post baut dafür kräftig aus. Im Sommer wird ein neues Verteilzentrum in Hagenbrunn eröffnet. Es ist dann das achte in Österreich mit insgesamt rund 1000 Mitarbeitern. Amazon lässt sich nicht in die Karten schauen, wie es in Österreich weitergehen wird.

Dass der US-Riese, auch hierzulande der mit Abstand größte Online-Händler, die letzte Meile selbst in die Hand nimmt, ist keine Überraschung. Sie ist das entscheidende Kriterium im Onlinehandel. Alle Dienstleister stecken viel Geld und Hirnschmalz in das letzte Wegstück vom Paketzentrum zum Kunden. Abholstationen, Empfangsboxen im Mehrparteienhaus, Lieferung in den Kofferraum des fahrbaren Untersatzes, vieles wird ausprobiert, nicht alles umgesetzt.

In Deutschland gibt es Streit mit der zuständigen Gewerkschaft ver.di. Unter anderem deshalb, weil Amazon nicht den Handelskollektivvertrag zahlt, sondern Gehälter, die eher jenen der billigeren Transport- und Logistikbranche ähneln. Auch hierzulande wird nach dem Logistik-KV bezahlt.
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Auch die Geschwindigkeit ist ein wichtiges Thema. Einkaufen und am gleichen Tag liefern, damit treibt der US-Riese die anderen vor sich her. Wann und ob überhaupt prime now in Österreich startet, ist noch offen. In Deutschland wird derzeit Prime Now etwa in Berlin und München angeboten. Gegen Mehrkosten können Amazon-Kunden eine schnelle Zustellung Kunden innerhalb einer Stunde oder eine Lieferung innerhalb eines Zweistundenfensters zu wählen. Ein Verteilzentrum wie jenes in Großebersdorf reicht für diesen Dienst nicht. Dafür braucht es spezielle Logistik, die auch für Lebensmittel geeignet ist – und das in der jeweiligen Stadt. In München befindet sich eine entsprechende Niederlassung beim Hauptbahnhof.

Dass Amazon den Marktteilnehmern hierzulande, darunter die zur französischen Geopost-Gruppe gehörende DPD, die deutsche DHL, die niederländische GLS, der US-Paketdienst UPS, Anteile abknöpfen wird, davon gehen alle Beobachter aus. Insgesamt wird der Kuchen aber größer. Die Zahl der Pakete wird sich in den kommenden sieben Jahren verdoppeln, davon gehen Experten aus. Aber auch der Druck steigt. Amazon produziert besonders günstig. Die Pakete in Wien können aufgrund der hohen Stoppdichte und geringer Kilometerzahl vom Depot sehr günstig produziert werden. Anbieter, die auch auf dem Land ausliefern, können dies nicht zu den gleichen Kosten tun wie Amazon. Wenn die Preise nicht steigen, nimmt also der ohnehin schon große Margendruck zu. (Regina Bruckner, 12.2.2019)