Siegerin Sigrid Horn mit Moderator Michael Ostrowski beim Protestsongcontest 2019 im Wiener Rabenhof.

Foto: Chris Stipkovits

Wien – Regionale Missstände, aktuelle Verkehrslagen oder die bauliche Gestaltung von städtischem und ländlichem Raum waren die häufigsten Themen beim gestrigen Finale des Protestsongcontests 2019 im Wiener Rabenhof Theater. Es wurde ein knappes Rennen. Schlussendlich konnte Sigrid Horn den Wettbewerb für sich entscheiden. Mit ihrem Dialektlied "baun" protestiert sie gegen das Zubauen von Landschaft.

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Sigrid Horn bezeichnete sich im Gespräch mit Moderator Michael Ostrowski als "älteres Semester", was diesen Bewerb angeht. Im Alter von sechs Jahren schrieb sie ihren ersten Protestsong und zwar über einen nigerianischen Freiheitskämpfer. Mit 16 Jahren trat sie erstmals beim Protestsongcontest an, was sie dazu bewegte, weiterhin Musik zu machen. In den darauffolgenden Jahren sollten viele weitere Teilnahmen folgen. Dieses Jahr trat die Liedermacherin mit "baun" an – einem Lied aus ihrem im Oktober 2018 erschienenen Solodebütalbum "Sog I Bin Weg". Begleitet wurde sie von ihrem Kindheitsfreund Bernhard Scheiblauer auf der Ukele und von sich selbst am Keyboard.

Mostviertlerin

In "baun" besingt die geborene Mostviertlerin ein Phänomen, das jedem am Land Ansässigen nur zu gut bekannt ist. Es geht um das Aussterben von ländlichen Ortskernen und das Verbauen von Grünflächen, an dessen Stelle dann "Kreisverkehrzentren" entstehen, um die sich wiederum Lebensmittelhandelsketten und Drogeriekonzerne ansiedeln. Dem modernen Landbewohner wird das Land vor seinen Augen wegplaniert und -betoniert. Dass dieser Protest auch bei einem städtischen Publikum großen Anklang fand, zeigte der längste Applaus des Abends für Horns emotionale Performance über das Land der Berge, aus dem nur mehr die Skilifte ragen.

Auch bei der Jury kam der Song sehr gut an. Jurorin und Kulturvermittlerin Simone Dueller meinte, Horn "hat Liedermacherkunst bewiesen". Ein Lob kam auch von der Singer-Songwriterin Violetta Parisini, die trotz der vielen behandelten Themen im Song einen überzeugenden roten Faden sah.

"Das war noch nie"

Auch wenn sich "baun" im Saal relativ schnell als klarer Publikumsliebling offenbarte, brachte die Auswertung von Jury- und Publikumsvoting einige Überraschungen. Die Juroren – Antonia Stabinger, Simone Dueller, Violetta Parisini, Alf Peherstorfer, Martin Blumenau und Peter Paul Skrepek – nominierten fast alle einen anderen Favoriten. "Das war noch nie", kommentierte ein verblüffter Michael Ostrowski.

Die Höchstpunktezahl im Online-Voting den Publikums wurde an den "Aufstand der Hühner" der Band Skatapult vergeben. Trotzdem konnte Horn die Protestkollegen abhängen – jedoch nur um einen Punkt. "Das war mit Sicherheit der spannendste Ausgang des Protestsongcontests aller Zeiten", so Gerald C. Stocker, der gemeinsam mit Roman Freigaßner-Hauser für das Konzept verantwortlich ist. Platz zwei teilten sich das Rapperinnen-Kollektiv Mag-D x Ms Def x Lady Ill-Ya x Yasmo x Misses U x Bella Diablo sowie Lisa Jäger & Band, deren Lied "Nationalität Mensch" weniger gegen etwas protestierte, als für Empathie und Liebe einstand. Nicht nur für Skrepek die "totale Antithese zum Bisherigen".

Kritik an der Kleiderwahl

Nicht nur die Songs, sondern auch Jury und Moderator mussten sich der Kritik des Publikums aussetzen. Es zeigte keine Scham: Wenn ein Song nicht gefiel, wurde lautstark geplaudert. Auch das Outfit von Moderator Michael Ostrowski, der mit seinem steirischen Dialekt und viel Witz durch die über drei Stunden dauernde Veranstaltung führte, wurde des Öfteren kommentiert. "Keep yourself in Zaun" konterte dieser. Seine silberglänzende Jacke zog er im Lauf des Abend aus, was vom Publikum sofort zum Anlass für weitere Aufruhr genommen wurde. Als Ostrowski zum Schluss erneut mit Glitzerjacke die Bühne betrat und "Die Jacket ist back" rief, wurde klar, was der wahre rote Faden des Abends war.

Während sich die Jury für ihre Entscheidung zurückzog, sorgte Ruth Brauer-Kvam und ihre Band für musikalische Unterhaltung der Sonderklasse und bot die energiegeladenste Performance des Abends. Vorgetragen wurden Lieder ihres Vaters Arik Brauer, dem sie anlässlich seines 90. Geburtstages ein Stück im Rabenhof Theater gewidmet hat. Ebenso steuerten die Vorjahressieger Lupin ihren Gewinnersong "1 Lied gegen Sexismus" bei.

70. Jahrestag der Februarunruhen

Die von Rabenhof und FM4 ausgerichtete Veranstaltung wurde 2004 zum 70. Jahrestag der Februarunruhen des Jahres 1934 ins Leben gerufen und versteht sich als Plattform für gesellschaftspolitische Protestlieder. In diesem Sinne endete auch der gestrige Abend auf einer zum-Protest-anregenden Note und der Aufforderung der Gewinnerin Sigrid Horn: "Bleibt's politisch! Bleibt's dabei!" (APA, 13.2. 2019)