Die Regierung zeigt sich von Expertenkritik unbeeindruckt und will ihre Pläne im Bereich des Strafrechts rasch umsetzen.

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Wien – Den Seitenhieb auf die Medien konnte sich Herbert Kickl nicht verkneifen. Die aktuelle Debatte über Verschärfungen im Strafrecht sind für den blauen Innenminister ein gutes Beispiel dafür, dass das "Recht der Politik folgt", wie er am Mittwoch nach dem Ministerrat sagte.

Als er einen ähnlichen Satz vor wenigen Wochen im Report von sich gegeben hatte, war das von vielen noch dahingehend ausgelegt worden, dass sich ein Minister über das Recht stelle und er auch an Grundfesten wie der Menschenrechtskonvention (EMRK) rüttle.

"Unheimliche Mordserie"

Edtstadler verteidigt härtere Strafen
ORF

Aktuell geht nicht um die EMRK, sondern um die Frage, welche Strafen bei Gewaltdelikten angemessen sind. Wie berichtet, ist Türkis-Blau der Meinung, dass sie derzeit zu niedrig sind. Angesichts einer "unheimlichen Mordserie" müsse man bestehende "Schwachstellen" beseitigen, wie es Kickl formulierte. 50 solcher Schwachstellen wurden ausgemacht und von der Regierung in einer Punktation vorgelegt. In diesen Bereichen soll nun das Recht der türkis-blauen Politik folgen.

Kanzler Sebastian Kurz und sein Vize Heinz-Christian Strache zeigten wenig Verständnis für jene Kritiker, die in den vergangenen Tagen deponiert hatten, dass höhere Strafdrohungen womöglich Frauen von Anzeigen abhalten könnten – aus Angst, Familienangehörige lange ins Gefängnis zu schicken. "Wer sich in Österreich an Frauen und Kindern vergeht, hat keine Milde verdient, sondern eine harte Bestrafung", sagte Kurz. Strache formulierte es fast wortident und hielt den Kritikern entgegen: "Ich frage mich, was das für ein Zugang ist."

50 Maßnahmen

Einige geplante Maßnahmen waren schon in den vergangenen Tagen ventiliert worden, andere sind neu. Ein Überblick:

  • Strafen: Die Mindeststrafe bei Vergewaltigung steigt von ein auf zwei Jahre. Gänzlich bedingte Strafen soll es für diese Täter nicht mehr geben. Die Höchststrafen für Wiederholungstäter sollen generell steigen, wobei Details aber offen sind. Wenn Unmündige oder besonders schutzbedürftige Personen zu Schaden kommen oder Waffen im Spiel sind, sollen die Mindeststrafen ebenfalls steigen.

  • Erschwerungsgründe: Bei der Strafbemessung soll die Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens des Opfers als neuer Erschwerungsgrund eingeführt werden.

  • Dokumentation: Damit es nach Vergewaltigungsanzeigen auch häufiger zu Verurteilungen kommt, sollen die Dokumentation der vorliegenden Verletzungen und die Spurensicherung (DNA) vereinheitlicht werden. Gemeinsam mit den Ärzten wird hier nun an Vorschlägen gearbeitet.

  • Verschwiegenheit: Was ebenfalls für die Ärzteschaft relevant ist: Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflichten sollen durchbrochen werden, wenn das zur "Bekämpfung einer ernstlichen und erheblichen Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit anderer erforderlich und verhältnismäßig ist". Als Beispiel wurde von FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz der Eisenstangenmord am Wiener Brunnenmarkt genannt. Der Täter war zuvor in Behandlung, wurde aber nicht in Gewahrsam genommen.

"Höherwertige Interessen"

Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres zeigt sich grundsätzlich über die Verschwiegenheitsregelungen gesprächsbereit. Opferschutz sei wichtiger als Datenschutz, sagte er im Gespräch mit dem STANDARD.

Derzeit sind Ärzte und deren "Hilfspersonen" laut Paragraf 54 des Ärztegesetzes zur Verschwiegenheit "über alle ihnen (...) anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet". Allerdings gibt es bereits jetzt Ausnahmen. Wenn es um den "Schutz höherwertiger Interessen" geht, kann die Verschwiegenheitspflicht durchbrochen werden. Wann das der Fall ist, müssen die Ärzte im Einzelfall bewerten. Es braucht jedenfalls einen konkreten Hinweis auf eine Gefährdungslage.

Während Psychiater unter das Ärztegesetz fallen, gibt es für Psychologen und Psychotherapeuten eigene, aber ähnliche Regelungen. Letztere sind etwa dann von der Verschwiegenheit ausgenommen, wenn es Hinweise darauf gibt, dass Kinder oder Jugendliche misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden. In solchen Fällen müssen also die Behörden verständigt werden.

Aussprechen von Gewaltfantasien

Peter Stippl vom Verband der Psychotherapeuten gibt hinsichtlich einer Ausweitung der Ausnahmen zu bedenken: Das Aussprechen von Gewaltfantasien sei Teil der Therapie und helfe, sie zu reduzieren. Müssen Patienten Angst haben, dass ihre Gespräche mit dem Therapeuten sofort bei der Polizei landen, könnten sie von einer Behandlung Abstand nehmen. Man müsse daher sehr sorgsam mit dem Thema umgehen, meint Stippl.

Weitere Maßnahmen, die geplant sind: Opfer, die nicht Deutsch sprechen, sollen nach Möglichkeit einen Dolmetscher des gleichen Geschlechts bekommen. Statt Betretungsverboten an konkreten Orten soll es eine allgemeine "Bannmeile" von 50 Metern geben. Im Rahmen der Präventionsarbeit soll der Aufklärungsunterricht in Schulen verstärkt werden. Der Wechsel in Frauenhäuser in einem anderen Bundesland soll ermöglicht werden. (Günther Oswald, Oona Kroisleitner, 13.2.2019)