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Misstrauischer Blick in die Marmelade: Zucker, Fruchtanteil und Konservierungsmittel sind auf der Waagschale.

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Es ist ein Kräftemessen mit ungewissem Ausgang. Seit Wochen ringt Elisabeth Köstinger mit Österreichs Industrie um eine strengere Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Nahrungsmittel. Ziel der VP-Landwirtschaftsministerin ist es, Konsumenten im Dienste der Bauern tiefere Einblicke in die Rezepturen rund um Produkte mit Fleisch, Milch und Ei zu gewähren. Eine Ambition, die vielen Lebensmittelherstellern schwer im Magen liegt, befürchten sie doch, auf dem finanziellen und bürokratischen Mehraufwand sitzen zu bleiben.

Auch Erwin Pletterbauer beobachtet die Debatte mit wachsendem Groll. Er bedauert, dass sich die Bundesregierung schon bisher nicht gegen die Interessen der Industrie durchsetzen konnte. Und er bezweifelt, dass sie es diesmal tut.

Wenig Transparenz

Der Obstbauer versorgt öffentliche Einrichtungen wie Spitäler und Pensionistenheime mit Bio-Marmelade in Einzelportionen zu je 20 Gramm. Auf jeder Deckelfolie weist er auf gut 25 Quadratzentimetern Zutaten, Herkunft und Nährwerte aus. Aufgrund laufend neuer Vorgaben der EU und aus Österreich werde er immer wieder zu Änderungen gezwungen, die er aber bewältige. Und was er als Kleinunternehmer schaffe, das dürfe ja wohl auch für Industrieunternehmen keine echte Hürde sein, ist Pletterbauer überzeugt. "Konsumenten wollen wissen, wie viel Frucht, wie viel Zucker ist in der Marmelade, und wo kommt der Honig her." Dies lediglich außen auf den Verpackungskartons auszuschildern, die die Leute bei ihrem Frühstück in Hotels oder in Krankenhäusern nie zu Gesicht bekommen, genüge einfach nicht.

Der Niederösterreicher, der unter anderem auch biologische Kornelkirschen anbaut, die sich mit Buttermilch vermengt in Supermärkten wie Hofer und Spar wiederfinden, glaubt, dass die Industrie mehr Transparenz schlicht nicht will. "Färbende Lebensmittel täuschen bei Erdbeermarmelade höheren Fruchtgehalt vor." Konservierungsmittel und ein großer Zuckeranteil würden auf der Einzelportion ebenso lieber verschwiegen. Pletterbauers Vertrauen, dass die Politik für aus seiner Sicht faire Marktbedingungen sorgt, ist gering. Also geht er in die Offensive.

Beschwerde bei EU-Kommission

Der Landwirt reichte bei der EU-Kommission eine Beschwerde gegen das österreichische Gesundheitsministerium ein, erzählt er dem STANDARD. Es geht um ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, das hierzulande anders interpretiert werde, wogegen er sich nunmehr entschieden wehre.

2016 habe der Gerichtshof nach einem sechs Jahre langen Verfahren rund um einen deutschen Honigabfüller festgehalten, dass die Herkunft des Lebensmittels auch auf der Einzelverpackung ablesbar sein müsse. Ein Urteil, das im Übrigen auch für Butter, Marmelade und Nutella gelte. Österreich setze dieses aber nur eingeschränkt um. Werde die Einzelportion in Cafés, Mensen oder Fastfood-Ketten verkauft, müssen auf ihr alle gesetzlich nötigen Infos ersichtlich sein. Wird sie im Zuge eines Frühstückspakets serviert, in Hotels etwa oder in Heimen, brauche es diese Angaben nicht. Österreich beuge sich hier den Wünschen der Industrie, ärgert sich Pletterbauer. "Verfassungsrechtlich wird das jedoch nicht halten."

Klage auf Schadenersatz

Der streitbare Marmeladenspezialist bereitet zusätzlich eine Klage auf Schadenersatz gegen das Land Niederösterreich vor. Anlass sei ein großer Rivale, der nach einem öffentlich ausgeschriebenen Auftrag des Landes zum Zug kam und auf eine detailreiche Kennzeichnung seiner Bio-Einzelportionen verzichte. "Wir fühlen uns geschädigt. Bisher galt hier offenbar: Wo kein Kläger, da kein Richter." Kleine Betriebe würden für jede Verfehlung unverzüglich gestraft, klagt Pletterbauer. "Viele Große lässt man hingegen außen vor. Das ist unerträglich." (Verena Kainrath, 14.2.2019)