Im Sommer 2018 musste es ganz schnell gehen: Mit drei weiteren Regierungsmitgliedern rückte Kanzler Sebastian Kurz aus, um "Entscheidungen im Kampf gegen den politischen Islam" zu verkünden. Die Moscheen waren schnell wieder offen. Bei der Ausweisung der Imame blieb es.

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Wien – Offiziell geht es um den Kampf gegen "Hassprediger", den "politischen Islam" und das Verhindern von "Radikalisierungstendenzen". Mit solchen Argumenten begründete die Regierungsspitze im Juni des Vorjahres, warum sie sieben Moscheen schließen, die Arabische Kultusgemeinde auflösen und zahlreiche Imame ausweisen will.

Im schriftlichen Bescheid des zu Kanzleramtsminister Gernot Blümel ressortierenden Kultusamtes war dann aber wenig davon zu finden, er stellte weitgehend auf formale Einwände ab. Zu lesen war darin etwa, dass die Arabische Kultusgemeinde nicht über die "erforderliche Zahl an Moscheeeinrichtungen in der erforderlichen Qualität verfügt". Zur Erklärung: Laut Gesetz müssen es zehn sein, laut Bescheid gab es nur sechs.

Intrigen in der IGGÖ

Durch den Bescheid wurden auch Intrigen innerhalb der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) öffentlich. Demnach informierte diese die Behörden, dass die Arabische Kultusgemeinde ihren "Verpflichtungen zur Vorlage der Finanzunterlagen an die IGGÖ nicht nachgekommen" sei. Innerhalb der Glaubensgemeinschaft sorgte das für gehörigen Wirbel. Ibrahim Olgun wurde in der Folge als IGGÖ-Obmann abgelöst, ihm folgte im Dezember der Jurist Ümit Vural nach.

Was die Ausrichtung der Moscheen betrifft, wurde im Bescheid nur eine explizit erwähnt und als problematisch eingestuft. Die "Masjid-As-Sunnah-Moschee" im sechsten Wiener Gemeindebezirk stellt für das Kultusamt eine "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar". Die dortige Auslegung des Islam stehe im Widerspruch zu verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten wie der Gleichbehandlung von Frauen. Verwiesen wurde auf Vorträge und Reden von Personen, "die Teil des Islamismus, des Salafismus und damit des politischen Islam sind".

Zikry Gabal von der Arabischen Kultusgemeinde weist das entschieden zurück. "Ich lege meine Hand für diese Moschee ins Feuer. Das sind ganz normale Menschen", sagte er zum STANDARD.

Bescheid aufgehoben

Erfolgreich war das Kultusamt mit seiner Vorgangsweise jedenfalls nicht. Der Moscheenbetrieb wurde bereits unmittelbar nach der Regierungspressekonferenz wiederaufgenommen, von polizeilichen Zwangsmaßnahmen sah das Innenressort ab.

Nun bekam die IGGÖ auch beim Landesverwaltungsgericht Wien Recht. Der Bescheid wurde für rechtswidrig befunden. Allerdings ging das Gericht nicht auf inhaltliche Einwände oder den Salafismusverdacht ein, sondern hob den Bescheid aus formalen Gründen auf. Demnach hat es die Behörde verabsäumt, der Arabischen Kultusgemeinde eine Frist zu stellen, um die behaupteten Mängel zu beseitigen.

Kultusamt beruft

Das Kultusamt kündigte am Donnerstag sofort Berufung und somit den Gang zum Verwaltungsgerichtshof an. Die Zusammenarbeit mit der Arabischen Kultusgemeinde sei nach wie vor mangelhaft. Sollte es notwendig sein, werde man auch zu gesetzlichen Änderungen greifen, kündigte Blümel an. "Wenn jemand gegen die positive Grundeinstellung in Staat und Gesellschaft handelt, muss das auch Konsequenzen haben."

Der neue IGGÖ-Präsident Vural zeigte sich angesichts der Berufung gelassen. "Ich will keinem Urteil vorgreifen, aber ich sehe da wenig Chancen." Mit dem Begriff "politischer Islam" könne er "nichts anfangen", sagte er zum STANDARD. "Wo soll hier auch dieser Kampf stattfinden?" Er widerspricht auch dem Kultusamt, wonach die Arabische Kultusgemeinde aktuell gar nur mehr zwei Moscheen betreibe. Laut Vural sind es zehn, die gesetzlichen Vorgaben würden also erfüllt. Auch Gabal sieht das so.

Imame fehlen

Rechtlich wird aber auch noch über den Status von 65 Imamen gestritten, die entweder bereits ausgewiesen wurden oder von Ausweisung bedroht sind, weil sie aus dem Ausland finanziert wurden. Die Causa ist demnächst beim Verfassungsgerichtshof anhängig.

Vural: "Wir haben Moscheen, wo Imame einfach fehlen. Nur weil sie aus dem Ausland finanziert werden, sind sie doch keine Gefahr für Sicherheit und Ordnung. Das sind unbescholtene Personen." Man habe schon bei der Erarbeitung des Islamgesetzes darauf hingewiesen, dass es Zeit brauche, um Imame in Österreich auszubilden. Außerdem liegt beim VfGH noch der Fall der Schiiten in Österreich. Vural: "Die wollten unter dem Dach der IGGÖ eine eigene Kultusgemeinde gründen, nur hat das Kultusamt dies abgelehnt." (Peter Mayr, Günther Oswald, 14.2.2019)